aus Yeni Hayat, Deutsch-Türkische Zeitung, Juni/Juli 2010 – leicht aktualisiert
Rechtsextreme Musik in und aus Österreich
Seit 2 Jahren referiere ich nun gemeinsam mit Markus Rachbauer über rechtsextreme Jugendkulturen und ihre Musik. Viele unserer über 30 Vorträge zum Thema wurden auch von interessierten LehrerInnen besucht. An die 20 mal wurden wir dann angefragt, ob wir Zeit und Interesse hätten den Vortrag auch an den jeweiligen Schulen der PädagogInnen abzuhalten. Wir wollten immer; trotzdem kam das bis dato genau ein einziges mal wirkich zustande . Fast alle anderen von engagierten Lehrkräften angedachten Vorträge scheiterten am Veto der DirektorInnen bzw. SchulinspektorInnen. Das Problem sei schon zu groß, sickerte öfters mal durch – und wenn ein Problem groß wird, dann leugnet man es am besten, sagt die österreichische Mentalität.
Die KonsumentInnen
Im Stammbuch meiner Nichte beantwortet ihr Schulfreund mit „kroatischem Migrationshintergrund“ die Frage nach seiner Lieblingsmusik schlicht mit: Thompson. Thompsons Rockmusik strotzt vor faschistischer, antisemitischer und nationalistischer Propaganda. Sein kleiner Fan ist 7 Jahre alt. Meist beginnen sich Kinder ab diesem Alter für Musik jenseits typischer Kinderlieder zu interessieren. Wirklich wichtig wird sie ab der Pubertät; in allerster Linie entscheidet die Musik ob und welcher Jugendkultur man sich anschliesst, sie ist identitätsstiftend auch im Hinblick auf die sich konstituierende politische Meinung. Diese ändert sich im Erwachsenenalter nicht mehr gravierend, wird jedoch meist weniger radikal geäußert. Musik ist die liebste und häufigste Freizeitbeschäftigung von Jugendlichen, das ist das Ergebnis aller diesbezüglichen Umfragen der letzten Jahrzehnte. Und gerade auf diesem so wichtigen Feld haben die Neonazis in den letzten jahren ihre grössten Erfolge gefeiert. Rechtsextreme Musiker haben viele Kinderzimmern erobert. Bands wie Landser, die Zillertaler Türkenjäger oder Stahlgewitter gehören zum mainstream. Wer es exklusiver mag hört neonazistischen Techno, Hardcore oder Black Metal. Man hört die Musik wohl kaum wegen ihrer Qualität, man hört sie nicht trotz sondern wegen ihrer rassistischen, gewaltverherrlichenden und antisemitischen Botschaften. Junge Menschen, die oft auf sonst nichts stolz sein können und sich selbst als Versager wahrnehmen, können mit dem Stolz auf eine angebliche Rasse Selbstwertgefühl erlangen. Ihre Wut auf sich selbst, über eingebildete oder auch reale Ungerechtigkeiten findet ein Ziel. Dazu kann man provozieren, Aufmerksamkeit erregen, sich als Revolutionär fühlen – und das ohne irgendeine Handlung zu setzen, allein durch das Konsumieren mutmaßlich „verbotener“ Musik, und ohne tatsächliches Aufbegehren, da der Rechtsextremismus ja in Wahrheit nichts revolutionäres, sondern auf die Spitze getriebenes Spießbürgertum darstellt.
Die SpielerInnen
Wie in anderen Bereichen der Popkultur sind die ÖsterreicherInnen bei der rechtsextremen Musik zwar intensive KonsumentInnen, Versuche selbst zu musizieren kommen jedoch nur selten über die Probierphase hinaus. Bei den meisten Möchte-gern-Rechtsrockern endet die „Karriere“ einige Wochen nach der Anschaffung der Instrumente. Oisterreicher und Arbeiterfront nannten sich die ersten rechten österreichischen Skinheadkapellen aus den 80er-Jahren, die schnell wieder von der Bildfläche verschwanden. Erst der Wiener Band Schlachthaus war längerer Erfolg beschieden, sie erschien bei einem bekannten deutschen Rechtsrock-Label und verkaufte in den 90ern über 10 000 Tonträger. Neben Wien bildete Vorarlberg das zweite kleine Zentrum österreichischer Nazi-Musiker, erwähnenswert sind hier vor allem die Bands Stoneheads und Tollshock, die aus dem neonazistischen Blood and Honour-Netzwerk stammten. Vorarlberg war auch, gemeinsam mit Oberösterreich, das Bundesland mit den meisten und größten Nazi-Konzerten. Bis zu 1500 ZuhörerInnen bejubelten internationale Stars und regionale Sternchen der Szene. Die Anzahl der Konzerte im Bundesgebiet ist mit etwa 5 – 10 im Jahr seit Mitte der 90er in etwa gleichbleibend. Trotz sprunghaft vergrösserter Fanszene und ohne behördliche Repressalien fürchten zu müssen, sind die Österreicher anscheinend auch als VeranstalterInnen ziemlich unfähig. Man fährt lieber auf die grossen Events ins Ausland, wobei hier die osteuropäischen Länder als Ziele zunehmend Deutschland den Rang ablaufen. In Slowenien fand auch das im Jänner das vorläufig letzte Konzert der Wiener Service Crew Vienna (Skinhead-Sound) und Donner des Nordens (Nazi-Metal) statt. Kurz zuvor hatte der rechtsextreme Innviertler Liedermacher Bernhard einen Auftritt in Bayern, wo er auch schon die Wahlkämpfe der neonazistischen NPD musikalisch begleitete. Bernhard ist seit über 10 Jahren aktiv, wobei diverse Knastaufenthalte seine Karriere hemmten. Im August ´09 trat er gemeinsam mit der Wiener Liedermacherin Isi in Kroatien bei der dortigen Blood and Honour-Sektion auf. Neben den österreichischen Skin-Kapellen und LiedermacherInnen existieren noch ein halbes Dutzend rechtsextremer Metalbands. Die jüngste CD erschien soeben, „Für`s (sic!) Vaterland“ einer Tiroler Sängerin namens Finnja. Trotz Allem: Insgesamt betrachtet steht die weite Verbreitung rechtsextremer Musik in Österreich im starken Gegensatz zur Bedeutungslosigkeit heimischer MusikerInnen, was wohl durch eine (nicht nur bei Rechten…) weit verbreitete passiv-konsumierende Haltung bedingt ist.
Thomas Rammerstorfer ist Mitarbeiter beim Infoladen Wels (www.infoladen-wels.at) und der Liga für emanzipatorische Entwickungszusammenarbeit (www.leeza.at), er referiert zu Rechtsextremismus (www.brauntoene.at)