Archiv für den Monat: Januar 2015

Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen in Linz – zur Friedensdemo am 24. Jänner

Samstag, 24. Jänner auf der Linzer Hauptstraße: „Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen!“ steht auf einem Schild, davor marschieren neben den veranstaltenden Notabeln der Islamischen Glaubensgemeinschaft und der katholischen Kirche die heimischen SpitzenpolitikerInnen von SPÖ (Klaus Luger, Gertraud Jahn) und Grünen (Rudi Anschober). Zur Samstagsrede schaut auch Landeshauptmann Pühringer vorbei.
Wie eng man diese Grenzen zieht, wird schon im Vorfeld klar gemacht: Neben „keine Flaggen“ oder „kein Geschrei, keine Parolen“ heißt es da auch „keine „ich bin Charlie“ Plakate, seien sie auf deutsch oder auf französisch“. Die weltweite Solidaritätsparole mit den Opfern von Paris ist nicht erwünscht in Linz. Nachzulesen in der Anordnung der „Islamischen Glaubensgemeinde“ an die TeilnehmerInnen.
Ebenso nicht erwünscht – oder zumindest nicht eingeladen – waren kurdischen, alevitische, jüdische und linke Organisationen. Auch das Oberösterreichische Antifa-Netzwerk nicht. Blieb ein relativ skurriles Sammelsurium aus allerhand Moscheevereinen, der Volkshilfe, Migrare und dem Linzer Ableger der faschistischen „Grauen Wölfe“ (Avrasya). Dominiert wurde der Aufmarsch von einem gutem Dutzend „ALIF“-Transparenten. ALIF (Avusturya Linz Islam Federasyonu = Millî Görüş) kann man zu diesem Coup nur gratulieren, Außenstehende müssen wohl den Eindruck einer reinen Millî Görüş-Veranstaltung bekommen haben.
Nun ist es zum einen erfreulich, dass sich auch konservative Muslime gegen Terrorismus aussprechen wollen. Ein ähnliches Engagement „mehrheitsösterreichischer“ Konservativer gegen rechtsextreme Gewalt vermissen wir schmerzlich. Trotzdem: der Ausschluss von einigen der Hauptopfergruppen djihadistischer Verbrechen hinterlässt einen schalen Beigeschmack.
Dass es auch anders geht hat man glücklicherweise zwei Wochen vorher in Wels gezeigt. Auch hier initiierten die Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Friedenskundgebung, es wurden aber auch linke kurdisch-türkische und antifaschistische Organisationen zur Teilnahme eingeladen. Und Charlie durfte auch dabei sein.

Thomas Rammerstorfer

PS: Eine Kritik gibt es auch von der Taksim Initiative Linz: http://www.taksiminitiativelinz.at/image-kur-fuer-das-ansehen-des-politischen-islam-im-stil-einer-populistischen-strategie/

1 Veröffentlicht am 22. Jänner 2015 auf verschiedenen Facebook-Seiten
2 Zumindest keine der von mir befragten; ich bitte um Hinweise, falls ich hier falsch liege.

Neue Frei.Wild-Platte: Alte Werte und neue Themen

Die Band Frei.Wild, deren Texte ich bei verschiedenen Gelegenheiten als rechts-konservativ, nicht aber wie andere als rechtsextrem einschätzte, bat mich um meine Meinung zum im März 2015 erscheinenden Album. Also ab nach Südtirol.
„Jetzt verstehst du unsere Lieder“ lacht Philipp Burger, Sänger, Texter und Gitarrist der Band, als er mich beim Hotel abholt und ich die schönen Aussichten auf die Berge der Region erwähne. Wir haben uns im Mai 2013 bei einem Konzert in Kufstein kennengelernt und miteinander auch schon eine Diskussionsveranstaltung im Wiener Gasometer absolviert. Die Fahrt ins Studio unterbrechen wir für ein Bier im Wirtshaus an der Mahr, dessen ehemaliger Besitzer Peter Mayr ein Mitstreiter des Andreas Hofer im Kampf gegen die Franzosen war: Ein Tiroler Held.
Burger erzählt: Er absolviert gerade die Ausbildung zum Landwirt, das mache ihm Spaß. Vom Film „We feed the World“ zeigt er sich schwer beeindruckt, immer wieder kommt er im Laufe des Nachmittags darauf zurück. Die Folgen der Globalisierung geben ihm zu denken, die miesen Lebensmittel, aber auch die Ausbeutung der Menschen in der Agrar-Industrie. Überhaupt ist er ein vielseitig interessierter und absolut politischer Mensch. Jedenfalls geht’s ab ins Studio, wo Schlagzeuger Christian Fohrer und Bassist Joachim Gargitter zu uns stoßen.
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„Opposition“ wird das neue Album heißen, wogegen man opponiert wird mir an diesen Nachmittag nicht ganz klar, weitestgehend befindet man sich textlich im Meinungs-Mainstream. Der Lauschangriff beginnt. Die erste Single, das dieser Tage erschiene „Wir brechen eure Seelen“, ist textlich ein nahezu archetypischer Frei.Wild-Song. Wir werden bekämpft, es werden Lügen über uns erzählt, wir werden aber standhalten, ist die bekannte Botschaft. Glücklicherweise geht’s nicht so weiter. Rechte Sprüche und dubiose Vergleiche der Vergangenheit, die die Band stets als Missverständnisse, die Kritik mitunter als Nazi-Botschaften wertete, gehören der Vergangenheit an.
Problematisch wird’s, wenn Frei.Wild in dasselbe Muster verfallen, das sie gerne ihren KritikerInnen vorwerfen: Nämlich undifferenziert Andersdenkenden Faschismus vorzuwerfen oder diese mit Nazis zu vergleichen. Und das passiert leider in zwei Liedern:
„Verstehe doch, du bekriegst die Falschen. Und bist zudem genau so schlimm wie die ganzen Nazi-Spasten. Denn die haben auch nur Hass im Sinn“ heißt es in „Wir brechen eure Seelen.“
Ähnlich dann auch im auf einen Frei.Wild-Kritiker bezogenen Song „Akzeptierter Faschist“. Ich äußere mich den drei Frei.Wild-Mitgliedern gegenüber dementsprechend. Burger verteidigt die Texte, meint, es gäbe Frei.Wild-Hasser, die die Band tatsächlich am liebsten an die Wand stellen würden, und das seien eben Faschisten für ihn. Naja.
Der Song „Ich bin neu, ich fange an“ (zur Gänze im Anschluss) thematisiert das Schicksal eines Flüchtlings. Gerade aus seiner eigenen Heimatverliebtheit hinaus scheint Burger Empathie für Menschen zu entwickeln, die die eigene Heimat verlassen müssen. Keine uninteressante Position.
Bleibt zu sagen: An meiner Meinung zu Frei.Wild hat sich wenig geändert. Einige Punkt sind kritikwürdig, auf Provokationen wird aber verzichtet, das haben sie wohl auch nicht mehr nötig.

Thomas Rammerstorfer

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Ich bin neu, ich fange an

Musik: 100% Philipp Burger
Text: 100% Philipp Burger


Sehe nur leere Gesichter, unsägliche Angst
Aufbruch zur Flucht, aus dem eigenen Land
Scherben hinterlassen und Scherben erwarten
Geister auf Auswegen, auf unsicheren Pfaden

Wohin mit mir, wohin und mit wem?
Werde ich zurückkommen?
Oder immer dort leben?
Das Urteil des Schicksals
Hätte es anders gewollt
Doch mein Wille zum Leben
Wählt meinen Weg

Endlich angekommen
Alles neu und fremd
Nichts hier wird einfach
Weil mich keiner hier kennt
Neues Land, neue Wege
Werde mich neu definieren
Will mein Leben hier leben
Will das alles kapieren

Ich will Teil dieser Welt sein
will nicht am Rande stehen
Werd es beweisen, ich bin dankbar
Für den Beitrag an meinem Leben
Schlage Brücken durch Sprache
Will sie lernen, will sie verstehen
Euer Land kennenlernen
Und will euch von meinem erzählen
Ich weiß, dass das alles
Für keinen hier einfach wird
Doch halte dran fest
Weil es nur ein Zusammen gibt
Ein Zusammen, das ich ohne euch so nicht leben kann
Also fange ich an, ich fange an, ich fange an
Und es fühlt sich richtig an

Was habe ich zu erwarten?
Wem soll ich vertrauen?
Wer hilft, wer misstraut mir?
An wen kann ich glauben?
Liegt mein Anker für immer?
Endet hier meine Flucht?
Tausende Fragen
Auf die ich Antworten suche

Doch will ich ein Leben
In eurer Mitte und frei
Begegnung verbindet, sie hilft mir dabei
Neues Land, neue Regeln
Heut auch Neues probieren
Ich will mit euch leben
Und das kann funktionieren

Egal woher, egal wohin
Neues soll kommen, Altes muss bleiben
Will mein Leben hier leben
Will das Land hier verstehen

Egal wo, egal woher
Egal wo, egal wohin
Egal wo
Für ein Zusammen
Nicht ein Auseinander
Für das Leben und Dinge
Die für ein solches stehen

Fotos:
1. Frei.Wild-Konzert 2013 Gasometer/Wien (Thomas Rammerstorfer)
2. Diskussion mit Frei.Wild im Dezember 2013 im Gasometer Wien (Katharina Gusenleitner)

Lob und Tadel bitte entweder hier abladen oder an t.rammerstorfer@gmx.at

Mitleid mit dem Teufel – Weltverschwörung entpuppt sich als Reinfall!

Nehmen wir mal an, es stimmt: Die Illuminaten bemühen sich seit hunderten – nach anderen Quellen gar seit tausenden! – von Jahren die Weltherrschaft an sich zu reißen. Ihre – wahlweise Helfer oder Chefs – sind Satan, die Freimaurer, die Juden, die Bilderberger, die EU. Sie versuchen eine „Eine-Welt-Republik“ zu errichten, ein Riesen-Israel, dazu einen Großteil der Menschheit mittels AIDS und Chemtrails zu ermorden und haben noch allerhand andre finstere Pläne. Eingedenk solch großer Anstrengungen wirds mal allerhöchste Zeit Bilanz zu ziehen. Und die fällt denkbar schlecht aus: Die Weltverschwörer haben im Reality Check voll abgeloost!

Hier mal einige Erkenntnisse zu den Weltverschwörern – alle folgenden Zitate nach Jochen Römers „NWO – Die neue Weltordnung – was sie bedeutet“:

„Die UNO wurde also von den Illuminaten bzw. von den Templern als die größte Freimaurerloge der Welt erschaffen, wobei 2 Weltkriege und die Wallstreet-Finanzkrise 1929 als deren größten Kunststücke des 20. Jhdt. Vorausgingen“
„1999 fand ein Treffen der Führer aller Religionen statt mit dem Ergebnis, eine globale Weltreligion zu schaffen“
„Die NWO ist das Endziel einer Verschwörung, die eine Ultradiktatur durch die Infiltrierung aller Systeme errichten will“
„Von Anfang an waren die Machenschaften der Illuminaten-Gesellschaft auf ein Bündnis mit Satan begründet.“
„Heute versucht man mithilfe künstlicher Feindbilder (Propaganda) einen Atomkrieg vom Zaun zu brechen – sei es im Iran oder in Korea.“
„NWO-Plan der Tötung von 90% der Weltbevölkerung“

So weit, so gut. Aber jetzt schauen wir uns mal an was aus all den tollen Plänen wurde:

Die „Eine-Welt-Republik“, der einzige und alleinige Superstaat, steht ganz oben auf der „to do“-Liste der Weltverschwörer. Doch mit seiner Etablierung schaut es verdammt schlecht aus. Die Sache entwickelt sich sogar äußerst ungünstig, allein in den letzten hundert Jahren hat sich die Anzahl der Staaten nicht etwa reduziert, sondern verdreifacht! Seit den 1990ern proklamiert ohnehin jede Ansammlung von Kuhdörfern seine eigene Republik. Nur Deutschland, der Staat den die Weltverschwörer besonders hassen, ist nicht zerfallen, sondern hat sich sogar noch vergrößert. Fünf, setzen!

Groß-Israel: Es ist zum Mäuse melken! Da entfachen die Verschwörer zwei Welt- und einen Arsch voller Regionalkriege, bringen Millionen von sich selbst um, und was haben sie davon? Schlechte Presse und einen Streifen in der Wüste, umgeben von Arabern! Selbst mit den besetzten Gebieten, auf die nun wirklich niemand scharf ist, sind das grad mal 29 Tausend von 510 Millionen Quadratkilometer der Erdoberfläche. Ein Siebzehntausenfünfhundertsechsundachtzigstel -expandiert „Groß-Israel“ in dieser Geschwindigkeit weiter, ist es bis zum Erlöschen der Sonne etwa so groß wie Österreich.

Die Vernichtung großer Teile der Menschheit. Ob alle „Weißen“, ob alle „Schwarzen“, oder überhaupt alle: Die Feinde der Weltverschwörer behaupten gerne, diese würden gerne die Weltbevölkerung erheblich dezimieren. So ziemlich alle Krankheiten von der Pest bis AIDS und Ebola wurden dafür in Laboren gezüchtet und unters Volk gebracht, mittels Chemtrails (Kondensstreifen) wird Gift gespritzt, und Naturkatastrophen werden im Wochentakt über den Erdball gejagt. Aber so viele die Illuminaten mit Tsunamis ins Meer spülen, vom Erdbebenboden verschlucken und vom Winde verwehen lassen: Die werden trotzdem immer mehr! Und zwar alle! Und das allerschlimmste: Die leben auch noch immer länger. Nein!!! Doch. Ohhh!

Auch alle anderen Projekte der Super-Illus scheinen vorerst gescheitert: Die Inplantierung von Chips in die Menschen um sie zu steuern: Nix wurde draus. Die geplanten Weltuntergänge 1999 bzw. 2012: auf unbestimmte Zeit verschoben. Nicht mal ein kleiner Atomkrieg und schon gar kein Dritter Weltkrieg ist sich ausgegangen. Dazu kommt: Seit es das Internet gibt, schauen die Leute kaum mehr aus dem Fenster, deswegen ist auch die Anzahl an UFO-Sichtungen stark rückläufig. Die Lieblingsspielzeuge der Verschwörer, UNO und EU, stecken in der Krise. Satan mögen nur mehr ein paar 16-jährige Heavy Metal-Fans und wer ernsthaft auf eine Einheitsweltreligion hofft hat wohl nicht mehr alle Sardinen in der Büchse.

So weit, so schlecht. Dabei haben sich der Gehörnte und seine Allianz aus super-schurkischen ethnischen Minderheiten so viel Mühe gegeben! Man möchte fast meinen, die Welt hat sich gegen sie verschworen.

Thomas Rammerstorfer

13. 2. ´15: „Brauntöne“ in Vöcklabruck

im OKH – Hans Hatschek- Straße 24, 4840 Vöcklabruck
19.30 – Eintritt: Freiwillige Spenden

Rechtsextremismus ist zu einer großen Jugendbewegung geworden – auch und gerade in Österreich. „Rechts sein“ ist in und längst beschränken sich faschistoide Ideen und Sprüche nicht mehr auf Unterschicht-Milieus. Wichtigstes Propagandamittel ist Musik: „Primär ist es die Musik die den Weg in die rechtsextreme Szene ebnet“ hat sogar der Verfassungsschutz richtig erkannt – freilich ohne bis dato irgendwelche Konsequenzen daraus zu ziehen. So konnten und können braune Bands und Barden in den vergangenen Jahren in Österreich oft ohne Probleme auftreten.

Thomas Rammerstorfer lädt ein zu einer Geisterbahnfahrt in die musikalischen Abgründe der braunen Rattenfänger, deren Repertoire sich längst vom Skinhead-Rock in fast jede denkbare Musikrichtung erweitert hat – vom Nazi-Metal, Hate Core, Dark Wave bis hin zu Techno, Hip Hop und Schlager-/Schunkellieder. Nicht ohne Auswirkungen auf den Mainstream, wo rechtskonservative Ideen von Bands wie Frei.Wild verbreitet werden. Der Bild- und Tonvortrag lief bereits über 50-mal in Österreich und Deutschland.

https://www.facebook.com/events/513660538774131/