von Thomas Rammerstorfer
In Linz hat eine Historikerkommission „belastete“ Straßennamen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist durchaus spannend und wird auch in Wels aufmerksam gelesen werden. Umbenannt werden in Linz die nach dem Komponisten Hans Erich Pfitzner („überzeugter und radikaler Antisemit“), dem Industriellen Ferdinand Porsche („eine zentrale Funktion in der NS-Kriegswirtschaft“) dem Unterhaltungskünstler Franz Resl (der als „NS-Protagonist einen radikalen Antisemitismus vertrat“) und Bischof Johannes Maria Gföllner (der „1933 in einem Hirtenbrief den Antisemitismus propagierte“) getauften Straßen. Die Kosten für Anrainer*innen und Unternehmen, die diesen etwa durch Änderungen von Visitenkarten und anderen Drucksorten erwachsen, werden durch die Stadt Linz ersetzt.
Für ältere Welser*innen ist die Diskussion um Straßennamen
ein Deja-Vu-Erlebnis. In den 1990ern war es die Ottokar-Kernstock-Straße, die die Gemüter erhitzte. Kernstocks rassistische und nationalistische Lyrik – so dichtete er das „Hakenkreuzlied“ – war Anlass für Kritik und schließlich für eine Umbenennung der Straße (nach Thomas Mann). Die letzte Kernstockstraße Oberösterreichs in Grein wurde 2006 umbenannt, jene in Graz 2022.
In Wels forderte die Welser Initiative gegen Faschismus im Frühling 2022 die Umbenennung der Franz-Resl-Straße. Franz Resl, der Nachkriegswelt als erfolgreicher Humorist bekannt, war schon illegaler Nationalsozialist (NSDAP-Beitritt: 1932), verfasste antisemitische Gedichte und war nach dem Krieg in Glasenbach interniert. Die Resl-Straße soll nun in Elfriede-Grünberg-Straße umbenannt werden. Eine Prüfung durch das Welser Stadtarchiv ist im Gange.
Es gäbe noch eine ganze Reihe von Straßen in Wels, deren Namensgeber überprüfenswert erscheinen. Hier möchte ich kurz ausholen. Als es in Hitler-Deutschland 1933 zu den ersten Bücherverbrennungen kam, wurde dies von der österreichischen Sektion des internationalen Schriftsteller*innen-Verbandes PEN-Club verurteilt. Diese Verurteilung sorgte für Empörung bei den pro-nazistischen Mitgliedern des PEN-Clubs, die daraufhin austraten und einen eigenen Verband bildeten, den „Bund Deutscher Schriftsteller Österreichs“, de facto eine NSDAP-Tarnorganisation (die NSDAP wurde in Österreich 1933 verboten). Mitglieder waren u. a. Josef Weinheber und Franz Karl Ginzkey, Präsident war Max Mell. Gemeinsam ist ihnen die posthume Ehre, dass Welser Straßen nach ihnen benannt sind (in Graz wurde die Max-Mell-Allee 2022 umgetauft). Der bekannteste Sammelband des „Bund Deutscher Schriftsteller Österreichs“ war das „Bekenntnisbuch österreichischer Dichter“, welches unmittelbar nach dem Anschluss erschienen ist und ebendiesen sowie den „Führer“ in 70 Beiträgen hochleben lässt. Auch hier haben sich Mell, Ginzkey und Weinheber verewigt, ebenso wie Karl-Heinz Waggerl und Richard Billinger, die auch Welser Straßen ihren Namen geben.
Ohne das Resultat der laufenden Untersuchung durch das Welser Stadtarchiv vorwegnehmen zu wollen: Man wird wohl – was die Einschätzung der Person des Franz Resl betrifft – zu ähnlichen Schlüssen kommen wie die Linzer Historiker*innenkommission. Ob es zu einer Zusatztafel oder gar Umbenennung kommt, wird zu diskutieren sein. Und ob die Rollen von Mell und Co. auch untersucht wurden bzw. werden, bleibt abzuwarten.
Die für mich fast spannendere Fragestellung betrifft die Nachkriegszeit in Wels (und Umgebung: vielen Gemeinden im Bezirk Wels-Land stehen ähnliche Debatten bevor). Wie konnte es sein, dass eingedenk der alptraumhaften Schrecken des NS, die jedem Menschen in der Stadt spätestens mit den Todesmärschen im Frühling 1945 so drastisch vor Augen geführt, keinerlei Sensibilität im Umgang mit dieser Zeit an den Tag gelegt wurde? Wohl bei weitem nicht nur im Umgang mit Straßennamen, die jedoch als allgemein sichtbares und dauerhaftes Vermächtnis fast schon symbolisch für einen bestenfalls schlampigen, schlimmstenfalls bewusst schönfärberischen Umgang mit dieser Zeit und ihrer Protagonist*innen stehen.