Kategorie-Archiv: Türkei, Armenien, Kurdistan

1915 – 2015: Der Genozid an ArmenierInnen und AssyrerInnen. Gedenken, Leugnen, Aufarbeiten

Die neuen LeEZA-Nachrichten (1/2015, Ausgabe 11) gehen nun in Druck.
Schwerpunkt:

1915 – 2015: Der Genozid an ArmenierInnen und AssyrerInnen
Gedenken, Leugnen, Aufarbeiten

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Wir schicken die Zeitschrift wie immer gratis zu, bitte geben Sie uns bei Interesse ihre Postanschrift bekannt.
Mit solidarischen Grüßen,
die LeEZA-MitarbeiterInnen

LeEZA
Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit

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Für eine klare Abgrenzung von den rechtsextremen „Grauen Wölfen“

OÖ. NETZWERK GEGEN RASSISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS Linz, 18. März 2015

Herrn Bürgermeister
MMag. Klaus Luger
Linz
Per E-Mail klaus.luger@mag.linz.at

Für eine klare Abgrenzung von den rechtsextremen „Grauen Wölfen“

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Schon seit Jahren wird innerhalb wie außerhalb der Sozialdemokratie immer wieder Kritik am Naheverhältnis der Linzer SPÖ-Spitze zum Verein „Avrasya “ laut. Dieser Verein gibt sich einen demokratischen und integrationsfördernden Anschein. Tatsächlich ist er eine Organisation der „Grauen Wölfe“, türkischer Rechtsextremisten, die in ihrer ultranationalistischen Propaganda u.a. gegen Juden, Kurden, Armenier und Linke hetzen. In der Türkei treten die „Grauen Wölfe“ unter der Bezeichnung „Nationalistische Bewegungspartei“ (MHP) auf.
Der derzeitige „Avrasya“-Vorsitzende Davut Güvenç ist direkt bei der MHP angestellt. Im April 2012 war MHP-„Führer“ Devlet Bahçeli in Linz zu Gast und wurde von „Avrasya“ mit größter Ehrerbietung empfangen. Die „Avrasya“-Jugend hat eine antisemitische Karikatur verbreitet, in der ein Hund mit Davidstern vor einem türkischen Wolf zittert. Die „Grauen Wölfe“ sympathisieren offenkundig mit der Terrormiliz „Islamischer
Staat“: Der Linzer „Avrasya“-Aktivist Kamil Sezer wünschte auf Facebook jedem kurdischen Widerstandskämpfer in Kobane (Ain-al-Arab), dass er „qualvoll verreckt“. 2012 erschien das Buch „Grauer Wolf im Schafspelz – Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft“. Es wurde von den Experten Thomas Schmidinger, Thomas Rammerstorfer, Kemal Bozay und Christian Schörkhuber verfasst und von der Volkshilfe herausgegeben. In diesem Buch wird die Hass-Ideologie der „Grauen Wölfe“ umfangreich belegt und vor jeder Zusammenarbeit mit ihren Organisationen
gewarnt.
Die Linzer SPÖ-Spitze blieb „Avrasya“ trotzdem freundlich gesinnt. Ein Block dieser rechtsextremen Organisation nahm weiterhin am jährlichen 1.-Mai-Aufmarsch der Linzer Sozialdemokratie teil und wurde von der Tribüne herab begrüßt. Das war auch
2014 der Fall.
Im Oktober 2014 wurden auf einer internen Facebook-Seite der türkischen Rechtsextremisten Fotos veröffentlicht, die Sie, Herr Bürgermeister, und den Linzer Integrationsstadtrat Stefan Giegler (SPÖ) bei einem Besuch im Linzer „Avrasya“-Lokal zeigen.
Proteste waren die Folge. Im November 2014 hat der Bundesparteitag der SPÖ beschlossen, die SPÖ werde gegen jede Unterstützung der „Grauen Wölfe“ und ihrer Vorfeldorganisationen sowie gegen jede Zusammenarbeit konsequent vorgehen. Ungeachtet dieses eindeutigen Beschlusses hat Integrationsstadtrat Giegler (SPÖ) im Dezember 2014 den Linzer Integrationsbeirat neu bestellt (dieser wird ja nicht gewählt) und dabei wieder einen Vertreter von „Avrasya“ zum Beiratsmitglied ernannt. So wird ignoriert, dass das ultranationalistische Gedankengut der „Grauen
Wölfe“ das genaue Gegenteil von Integration darstellt. Ein Gedankengut, das sich unter türkischstämmigen Jugendlichen gefährlich ausbreitet.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Briefes sind bestürzt, dass verantwortliche Politiker der drittgrößten Stadt Österreichs ein Naheverhältnis zu einer rechtsextremen Organisation pflegen und sie nach Kräften fördern. Wir richten an Sie als Bürgermeister und Linzer SPÖ-Vorsitzenden den dringenden Appell, nicht länger unter dem Deckmantel des „Dialoges“ über menschenverachtende
Hetzpropaganda hinwegzusehen.
Sorgen Sie für eine klare Abgrenzung der Stadt Linz und der Linzer SPÖ von den rechtsextremen „Grauen Wölfen“ und ihrer Organisation „Avrasya“: Beenden Sie jede Unterstützung und jede Zusammenarbeit! Damit entsprechen Sie auch dem Bundesparteitagsbeschluss Ihrer Partei.

Dieser Brief ergeht abschriftlich an SPÖ-Bundesvorsitzenden und Bundeskanzler Werner Faymann sowie an den oö. SPÖ-Landesvorsitzenden und Landeshauptmannstellvertreter Reinhold Entholzer.

Mit freundlichen Grüßen

Wilhelm ACHLEITNER, Leiter des Bildungshauses Schloss Puchberg
Nuray BAHÇETEPE, Vorstandsmitglied der Welser Initiative gegen Faschismus
Maxi BLAHA, Schauspielerin
Bert BRANDSTETTER, Präsident der Katholischen Aktion Oberösterreich
Erwin BUCHINGER, Bundesbehindertenanwalt
Ferhat BÜYÜKDEMIRCI, Sprecher der Taksim-Initiative Linz
Emine CEK, Obfrau des Dachverbandes der kurdischen Vereine (Feykom OÖ)
Erdal CÖRDÜK, Vorstandsmitglied der Föderation demokrat. Arbeitervereine (DIDF)
Ali DEMIR, Obmann des Alevitischen Kulturvereines Perg
Zafer DEMIRBILEK, Obmann des Vereines der demokratischen Rechte
Oskar DEUTSCH, Präsident des Bundesverbandes Israelitischer Kultusgemeinden
Dursun DINLER, Obmann des Alevitischen Kulturvereines Wels
Helmut EDELMAYR, Abgeordneter zum OÖ. Landtag a.D.
Robert EITER, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Raimund FASTENBAUER, Generalsekr. des Bundesverbandes Israelit. Kultusgemeinden
Marko FEINGOLD, Überlebender des KZ Auschwitz
Peter FLORIANSCHÜTZ, Abgeordneter zum Wiener Landtag und Gemeinderat
FRANZOBEL, Schriftsteller
Karl-Markus GAUSS, Schriftsteller
Rudolf GELBARD, Überlebender des KZ Theresienstadt
Efkan GÜN, Obfraustellvertreter des Vereines ADA – Alternative Solidarität
Ismet GÜZEL, Vorstandsmitglied der Alevitischen Kulturgemeinde Linz
Gerhard HADERER, Zeichner
Erik HANKE, Beiratsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Elfriede JELINEK, Literaturnobelpreisträgerin
Günter KAINDLSTORFER, Journalist und Schriftsteller
Fiona KAISER, SJ-Landesvorsitzende und stv. SPÖ-Landesvorsitzende
Reinhard KAISER-MÜHLECKER, Schriftsteller
Coşkun KESICI, Vorsitzender der Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF)
Erika KIRCHWEGER, Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich
Cansu KILIÇ, Vorstandsmitglied der Alevitischen Kulturgemeinde Linz
Ali Dost KIŞIN, Obmannstellvertreter des Alevitischen Kulturvereines Perg
Evrim KUTOOGLU, Obmannstellvertreterin des Vereines der demokratischen Rechte
Harald KRASSNITZER, Schauspieler
Ludwig LAHER, Schriftsteller
Albert LANGANKE, Träger des Menschenrechtspreises des Landes Oberösterreich
Andreas MAISLINGER, Politikwissenschafter
Robert MENASSE, Schriftsteller
Bernadette NADERER, Vorsitzende der Katholischen Jugend Oberösterreich
Wolfgang NEUGEBAUER, Historiker
Elisabeth ORTH, Schauspielerin und Präsidentin der Aktion gegen den Antisemitismus
Andreas PEHAM, Autor und Rechtsextremismus-Experte im DÖW
Anton PELINKA, Politikwissenschafter
Elisabeth PITTERMANN, Vorstandsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Martin POLLACK, Schriftsteller
Doron RABINOVICI, Schriftsteller
Thomas RAMMERSTORFER, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Karl RAMSMAIER, Träger des Menschenrechtspreises des Landes Oberösterreich
Werner RETZL, Vorsitzender der Welser Initiative gegen Faschismus
Eva ROSSMANN, Schriftstellerin
Uwe SAILER, Träger des Ute-Bock-Preises für Zivilcourage
Käthe SASSO, Überlebende des KZ Ravensbrück
Hans-Henning SCHARSACH, Autor und Rechtsextremismus-Experte
Thomas SCHMIDINGER, Politikwissenschafter
Irmgard SCHMIDLEITHNER, ÖGB-Vizepräsidentin a.D.
Richard SCHMITZ, Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Kurt SCHOLZ, Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich
Susi SHAKED, Generalsekretärin der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Josef SHAKED, Psychoanalytiker
Ayfer SINIRTAŞ, Obmannstellvertreterin des Alevitischen Kulturvereines Wels
Erwin STEINHAUER, Schauspieler
Marlene STREERUWITZ, Schriftstellerin
Hans-Jürgen TEMPELMAYR, Beiratsmitglied der Österr.-Israelischen Gesellschaft
Hanim TOHUMCI, Obfrau des Dachverbandes der ImmigrantInnen aus der Türkei
Necla TUNCEL, Obfrau des Vereines ADA – Alternative Solidarität
Tuncay TUNCEL, Obmann des ASKÖ-Sportvereines ADA
Günter WALLRAFF, Journalist und Schriftsteller
Peter WEIDNER, Beiratsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft
Franz Adrian WENZL, Rocksänger (Austrofred) und Schriftsteller
Robert ZINTERHOF, Träger des Menschenrechtspreises des Landes Oberösterreich

„Graue Wölfe“ feiern Genozid an den ArmenierInnen

Während die offizielle Türkei den Genozid an den Armenierinnen und anderen christlichen Minderheiten, der vor bald 100 Jahren begonnen hat, leugnet, gehen die türkischen Faschisten der „Grauen Wölfe“ einen noch widerwärtigeren Weg: Sie feiern ihn.

Die Aufschrift auf diesen Transparenten lautet:

„Wir freuen uns, dass unser Land von den Armeniern gereinigt wurde. Gratulation zum 100. Jahrestag. Wir sind stolz auf unsere Großeltern!“

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Quelle: https://www.facebook.com/gencatsizlar

10. 11. 2014: „Graue Wölfe – Rechtsextremismus aus der Türkei“ in Salzburg

Montag, 10. November um 19:00
Unipark Nonntal, Hörsaal Agnes-Muthspiel, Salzburg

Inspiriert von Europa und unterstützt von Nazi-Deutschland entstand auch in der Türkei der 40er Jahre eine faschistische Bewegung, die „Grauen Wölfe“, die sich ab den 60ern in der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) zusammenfanden. Seit ihrer Gründung steht die Partei für rabiaten groß-türkischen Chauvinismus, sie ist für tausende Morde an fortschrittlichen TürkInnen und KurdInnen verantwortlich.

In Österreich erfreuen sich die „Grauen Wölfe“ eines großen Zulaufs an Jugendlichen, eine Entwicklung die durch den zunehmenden anti-türkischen Rassismus beschleunigt wird. Die MHP`ler sind in Vereinen mit meist harmlos klingenden Namen organisiert; sie und andere nationalistische Gruppierungen versuchen dadurch Einfluss in der österreichischen Gesellschaft, insbesondere der Integrationsszene zu gewinnen – mit Erfolg…

Den Vortrag hält der Rechtsextremismusexperte Thomas Rammerstorfer, der neben jahrelanger Recherche- und Aufklärungsarbeit auch auf die thematisch relevante Buchveröffentlichung „Grauer Wolf im Schafspelz – Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft“ (mit Kemal Bozay, Thomas Schmidinger und Christian Schörkhuber) zurückblicken kann.

Eintritt frei, Spenden für Flüchtlingsorganisation „Rote Sonne Kurdistan“ erbeten!

Eine Kooperationsveranstaltung von:
– Antifaschistisches Informations- und Solidaritätskollektiv Salzburg
– ÖH Salzburg
– Kurdischer Kulturverein Salzburg

Kurdistan-Solidarität Wels

Warum „Kurdistan-Solidarität Wels“?

Seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien haben sich mehrere Gebiete mit kurdischer Bevölkerungsmehrheit de facto autonom entwickelt. Weitgehend gelang es den „Volksverteidigungskräften“ (YPG), den Krieg aus diesen Gebieten rauszuhalten. Es wurde eine eigene Verwaltung aufgebaut, in der auch die nicht-kurdischen Minderheiten repräsentiert waren, so wurde jeder Ministerposten dreifach, mit VertreterInnen der KurdInnen sowie der muslimischen und der christlichen AraberInnen besetzt. Frauen genießen in dieser Region eine wohl einzigartige Gleichberechtigung und in sind in Politik, Verwaltung und den Milizen präsent.

Seit der Kapitulation der irakischen Armee gegen den „Islamischen Staat“ bei Mossul ist die Situation zunehmend kritischer geworden. Im August gelang es der YPG gemeinsam mit der türkisch-kurdischen PKK noch einen Genozid an der religiösen Minderheit der Yeziden zu verhindern. Doch die eigenen Gebiete kann man, selbst in Stich gelassen von der Weltöffentlichkeit, nun nur mehr schwer verteidigen. Die Mittlere der drei kurdischen Regionen, Kobane, steht unmittelbar vor dem Fall.
Die humanitäre Katastrophe sprengt jeden Rahmen. Millionen Menschen sind vom Völkermord bedroht und auf der Flucht.
Wir organisieren in Zusammenarbeit mit kurdischen Vereinen in Österreich Hilfe. Zuerst sammeln wir Medikamente (schmerzstillende Mittel, fiebersenkende Mittel, Wund- und Heilsalben, Desinfektionsmittel) sowie Geld.

Warum die Kooperation mit kurdischen Vereinen anstatt mit großen NGOs?
– Über die Strukturen der KurdInnen kann auch in Gebieten geholfen werden, die von internationalen Organisationen nicht beliefert werden
– Die KurdInnen wissen selbst am besten, was sie wann und wo brauchen
– Einige große türkische Hilfsorganisationen stehen dem nationalistisch-islamistischem Spektrum nahe und benachteiligen die KurdInnen
– Selbstverständlich arbeiten alle ehrenamtlich – jeder Cent geht nach Kurdistan

Der Abschaum aller Länder, der sich im „Islamischen Staat“ zusammen gerottet hat, ist eine akute Bedrohung für uns alle. Bislang wird er nur von den KurdInnen konsequent bekämpft, dafür sind sie einer besonders grausamen Verfolgung ausgesetzt. Lassen wir sie nicht alleine!

Für Sachspenden: Bitte via www.facebook.com/kurdistanwels oder t.rammerstorfer@gmx.at anfragen.

Thomas Rammerstorfer
Zahlungszweck: „Spende“
BIC VBWEAT2WXXX
IBAN AT 84 44800 414613 00000
Welser Volksbank

Alle Spenden werden aufgelistet (anonym oder nicht – wie ihr wollt) – die Liste kann auf Wunsch eingesehen werden.

Erzfeind Israel – Antisemitische Parolen und Übergriffe durch Menschen aus der Türkei – wer heizt die Stimmung an? Anmerkungen zum Thema.

Kein geopolitisches Thema bewegt die türkische Community intensiver als die israelische Militäroperation im Gaza. Hunderttausende gingen in den vergangenen Tagen auf die Straße, es kam zu gewalttätigen Übergriffen und soziale Medien sind nahezu überschwemmt mit anti-israelischen und/oder antisemitischen Parolen und Bildchen. Die Vorkommnisse im Gazastreifen empören in der Türkei zweifellos mehr Menschen als der ungleich blutigere und die Türkei deutlich mehr betreffende Bürgerkrieg in Syrien.
Betrachtet man die über 880 vorwiegend türkisch-stämmigen Angemeldeten für die Pro-Gaza-Demo in Linz, hat man wohl einen ungefähren Durchschnitt dieser Bevölkerungsgruppe: Säkulare und Religiös-Konservative, Rechte und Linke in allen Spielarten von bekennenden KPÖ-Anhängern, linken KurdInnen bis zu MHP-Faschisten, SchülerInnen und UnternehmerInnen, Männer und Frauen – letztere ebenso mit Kopftuch wie auch im Minirock, ATIB- und Milli Görüs-Gruppen. Der Demo-Aufruf erfolgte von einer Seite namens „free Palestine“, einer bei facebook als Gemeinschaft angemeldeten Gruppe (?), deren Betreiber sich nicht die Mühe machen, Objektivität oder Friedfertigkeit zu heucheln: „Die scheis israelis kriegen dass und mehr zurück die scheis Bastarde“ oder (über eine israelische Abgeordnete) „Solche missgeburten würde gerne die fresse pullieren“ schreibt „free Palestine“. Kritische Kommentare dazu? Fehlanzeige.

Angesichts der heterogenen DemonstrantInnenschar hat man nicht den Eindruck, es handle sich bei den Gaza-Fans um einen Haufen ungebildeter Landeier und religiöser Eiferer. Nein, es sind sogar auffallend viel Menschen darunter, die man als „bestens integriert“ bezeichnen würde: GymnasiastInnen und Studierende, UnternehmerInnen und höhere Angestellte. Warum ist das so, in einem Land, wo Antisemitismus recht wenig Tradition hat?

Die AKP und die NationalistInnen

Premier Erdogan hat viele Gründe, den Konflikt anzuheizen. Zum einen kann er sich als Schirmherr des sunnitischen Islams inszenieren, als heimlicher Kalif quasi, dessen Worte und Werte auch jenseits der türkischen Grenzen Gewicht haben. Nach einem langen Jahr mit den Gezi-Park-Protesten, dem Unglück von Soma, dem Zerwürfnis mit der mächtigen Gülen-Bewegung und ohne Verhandlungserfolg mit den KurdInnen kommt die Eskalation in Gaza kurz vor den Wahlen im August wie bestellt. Die einzige Frage, in der ein nationaler Konsens zu herrschen scheint, bestimmt nun die Politik und die Stimmung der Gesellschaft. Erdogan wird die Wahlen im Gaza-Streifen gewinnen.

Bei der extremen Rechten war der Antisemitismus zwar virulent vorhanden, aber selten intensiv ausgelebt worden. Für kapitalistische Krisen machte man in der Türkei traditionell ArmenierInnen verantwortlich. Ebenso für die Gründung der PKK. Da ArmenierInnen und KurdInnen momentan nur beschränkt als Feindbild taugen, hat man sich nun aber auch verstärkt Israel zugewandt. Erdogans Position wird als zu lasch kritisiert, gezielt werden Gerüchte im Umlauf gebracht (auch von den Vereinen der „Grauen Wölfe“ in Österreich), Erdogan paktiere in Wahrheit mit den JüdInnen.
Auch der Ablenkung von der eigenen Minderheitenpolitik dient die Dämonisierung Israels. Wenn Israel einen Völkermord an den PalästinenserInnen begeht, dann muss ja die türkische Politik gegenüber den ArmenierInnen und KurdInnen fast human sein.
Ein weiterer, noch wenig bedachter Effekt. Die Dämonisierung nahezu aller „westlicher“ Waren als „jüdisch“ und das gleichzeitigen Bewerben türkischer Waren mittels einfacher Bildchen. Ein Schelm, wer hier an billige umsatzsteigernde Maßnahmen denkt:
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Die Linke

Auch die linken Organisationen und Parteien versuchen sich in rabiatem Israel-Hass und darin, Erdogan als Heuchler darzustellen, der hinterrücks nach wie vor Geschäfte mit Israel macht:
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Die Linke präsentiert sich gefangen im Antiimperialismus der 1960er und 1970er Jahre. Jeder Konflikt muss zwangsläufig in das Schema „Befreiungsbewegung vs. Imperialisten“ gepresst werden. Logik oder gar Analyse bleiben auf der Strecke. Zum politischen Islam fällt einem nicht mehr ein, als Organisationen die einem gerade in den Kram passen als antiimperialistisch zu deuten (Hamas), jene die das nicht tun als „von imperialistischen Mächten gesteuert“ (wie der „Islamische Staat“ in Syrien und dem Irak). Der Komplexität der Region kann man so nicht gerecht werden. Und will man auch nicht: Lieber beteiligt man sich an den inner-türkischen Meisterschaften im Israel-Bashing. Die in Österreich vertretene ATIGF („Föderation der Arbeiter und Studenten aus der Türkei in Österreich“) schwafelt von der „faschistischen Diktatur Israel“, die DIDF („Föderation Demokratischer Arbeitervereine“) findet den Vergleich des Staates Israel mit dem NS-Regime treffend:
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Die Jugendkultur

Antisemitische Statements und Weltverschwörungstheorien sind eine Selbstverständlichkeit in Teilen der deutschen bzw. deutsch-migrantischen Hip Hop-Kultur geworden, deren KonsumentInnenkreis natürlich nicht nur, aber auch große Teile der türkisch-stämmigen Kids umfasst. Eine ganze Reihe relevanter Künstler des Gangster- bzw. Battleraps zeigen sich hier verhaltensauffällig: Integrationspreisträger Bushido etwa twitterte eine Landkarte, auf der Israel nicht mehr existiert – an seiner Stelle gibt es nur mehr „Palestine“. Kurdo, der deutsche Rapper mit kurdisch-irakischen Wurzeln äußerte sich auf facebook hocherfreut über den Platzsturm eines antisemitischen Mobs in Bischofshofen: „Ich Feier die Jungs“ und „Bin voll auf eure Seite Jungs“ kommentierte er und erntete dafür an die 30 000 „Gefällt mir“. Das Befürworten antisemitischer Übergriffe als Massenphänomen. Der deutsch-kurdische Musiker Haftbefehl untermauert seine Forderung „Free Palestine“ im gleichnamigen Video mit dem Herumfuchteln mit einer Bazooka und rappt in „Psst“, er verkaufe „Kokain an die Juden von der Börse“. Fix im Programm haben den Antisemitismus noch weitere Acts wie Celo & Abdi oder Bözemann. Kollegah formuliert etwas vorsichtiger in seinen Liedern über die Weltverschwörung der Freimaurer und Illuminaten, die auch im christlichen Mainstreamer Xavier Naidoo einen Gläubigen gefunden hat.

Was bleibt

Es gibt einen fixen Anti-Israel-Konsens in der türkischen politischen und medialen Landschaft. Dieser wird via Satellitenfernsehen und social media in alle Teile der Welt hinausgeplärrt. Gruppierungen des politischen Islams teilen diese Politik, unterscheiden sich aber in ihrer Propaganda wenig bis gar nicht vom Antisemitismus der säkularen Rechten und der Linken. Die Sache hat also viel mit türkischer Innenpolitik und wenig mit Religion zu tun. Und sie spielt sich vor allem auf der Gefühlsebene ab, die wiederum mit möglichst blutrünstigen Bildchen, bevorzugt verletzten oder toten Kindern, angesprochen wird. Dagegen argumentiert es sich schwer. Kritische Stimmen, die es durchaus auch aus der türkischen bzw. kurdischen Community gibt, werden rasch niedergebrüllt. Es wird wohl erst nach dem Ende der Kampfhandlungen in Gaza und dem damit verbundenen Abflauen der Hysterie möglich sein, überhaupt miteinander zu sprechen.

Hilfe für Syrien

Liebe Leute, ich ersuche euch diese zwei Projekt in Syrien nach Möglichkeit zu unterstützen:

In der Kleinstadt Amûdê, mit etwa 48.000 EinwohnerInnen, gab es schon vor dem Bürgerkrieg nur wenige Möglichkeiten für Frauen zu arbeiten und sich weiterzubilden, geschweige denn, selbstständig zu leben und ein eigenes Einkommen zu verdienen. Damit sind Frauen abhängig von Ehemännern, Brüdern und Vätern und haben selten die Chance, sich aus schwierigen Familienkonstellationen zu lösen. Bei familiären Konflikten gibt es keine Institutionen, die Frauen unterstützen würden.

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Die Aktivistinnen der Komela Jinên Kurd li Amûdê vor einem Raum, den sie bis vor Kurzem einmal in der Woche zwischennutzen konnten. (Foto: Thomas Schmidinger, Amûdê, Jänner 2013)

Durch den Krieg sind nun zusätzlich tausende Familien und alleinstehende Frauen als Intern Vertriebene nach Amûdê gekommen, die notdürftig bei Familien oder in leeren Schulgebäuden untergebracht wurden. Komela Jinên Kurd li Amûdê würde gerne auch für diese Frauen eine Anlaufstelle bieten. Keine einzige internationale Hilfsorganisation bietet vor Ort Unterstützung an. Über 500.000 (sic!) IDPs, also Intern vertriebene Flüchtlinge, sitzen in Syrisch-Kurdistan, ohne jegliche Versorgung. Der letzte Winter war schon schlimm, der nächste wird dramatisch enden, wenn sich keine großen NGOs bereiterklären auch innerhalb Syriens (in jenen Gebieten, in denen es zur Zeit möglich ist), zu helfen.

In Amûdê selbst kam es bisher nicht zu offnen Kriegshandlungen. Die unmittelbar an der türkischen Grenze gelegene Stadt leidet aber wie andere kurdische Gebiete Syriens unter massiven Versorgungsproblemen, den geschlossenen Grenzen zur Türkei und den nahen Auseinandersetzungen von kurdischen Einheiten mit dschihadistischen Milizen.

Komela Jinên Kurd li Amûdê bemüht sich trotz der Bürgerkriegssituation darum:

– Frauen Zugang zu Bildung zu ermöglichen und ihnen Fähigkeiten für Handwerk und Arbeit zu lehren.
– Frauen bei der Suche nach eigenen Jobs zu unterstützen.
– Frauen zu motivieren und zu stärken.
– Seminare und Kurse aller Art für Frauen anzubieten.
– die Gleichstellung von Frauen mit Männern zu propagieren.
– die Gesundheit von Frauen zu stärken und Wissen über den eigenen Körper zu vermitteln.

Im Vergangenen Jahr wurden Workshops zu medizinischen, sozialen, kulturellen und politischen Themen durchgeführt, die ganz überwiegend von Frauen selbst abgehalten wurden. Frauen wurden zu Krankenschwestern und Friseurinnen ausgebildet. Ein spezieller Fokus lag zudem auf der Unterstützung von Frauen mit Kindern, die besonders unter den Folgen des Bürgerkriegs in Syrien leiden.

All diese Aktivitäten finden jedoch unter sehr schwierigen Bedingungen statt. Komela Jinên Kurd li Amûdê war bisher davon abhängig, dass andere Gruppen ihnen Räume zur Verfügung stellen. Mit den zunehmenden innerkurdischen Spannungen zwischen den kurdischen Parteien wurde das in den letzten Monaten immer schwieriger. Deshalb hat sich er Verein nun entschieden ein eigenes Zentrum aufzubauen.

Für die Einrichtung und den Betrieb dieses Frauenzentrums in Amûdê durch Komela Jinên Kurd li Amûdê sammeln wir Spenden! Jeder Euro hilft.

Aufgrund der Kriegshandlungen in Syrien ist es derzeit schwierig, Geld in die Region zu bringen. Es gibt keine funktionierenden Banken in Syrisch-Kurdistan. Allerdings ist es möglich, das Geld mit zuverlässigen Kurieren gegen eine Quittung nach Amûdê zu bringen. LeEZA-Vorstandsmitglied Thomas Schmidinger hat sich im Jänner 2013 bei einer Recherchereise nach Syrisch-Kurdistan selbst ein Bild von den Aktivitäten der Komela Jinên Kurd li Amûdê gemacht. Die Stadt selbst ist so weit sicher, dass die Aktivitäten auch während des Krieges fortgesetzt werden können und es gibt Wege, das Geld sicher an die Komela Jinên Kurd li Amûdê weiterzuleiten. Auf unserer Homepage werden wir in den kommenden Monaten über den Fortschritt beim Aufbau des Frauenzentrums berichten.

Unser Spendenkonto lautend auf LEEZA:

Knt. Nr.: 6.955.355
BLZ: 32.000 Raiffeisen Landesbank NÖ
IBAN AT4432 0000 0006 955355
BIC (SWIFT) RLNWATWW

Jeder Euro hilft.
Mit freundlichen Grüßen,
das LeEZA-Team

Weiters möchte ich euch folgendes ans Herz legen: Die NGO „time4life“ hat einen Kalender mit Landschaftsaufnahmen aus Österreich raus gebracht, der Reinerlös geht nach Syrien. Ich hab ein paar Fotos beigesteuert und zitiere:

„Weihnachten naht in Riesenschritten. Der ultimative Geschenketipp ist der ►KALENDER 2014 – zugunsten Flüchtlingskinder in Syrien► um €10,00 (oder gerne mehr gibts den Wandschmuck zu kaufen. Wir verschicken ihn gerne mit der Post (…Porto muss ich erst erfragen). Alternativ kann er in Wien, Vöcklabruck (OÖ), Rohrbach (NÖ) und Perchtoldsdorf erstanden werden. Am 4. Dezember kommt er frisch aus der Druckerei. Wir haben es so schön bei uns in Österreich und gerade um Weihnachten ist die Zeit um nicht auf die zu vergessen denen es nicht so gut geht, auf die, die frieren und hungern. Bei Interesse bitte melden: info@time4life.or.at
Wir freuen uns auf zahlreiche Bestellungen um mit dem Geld den Kindern in Syrien Schlafsäcke, Nahrung und Medikamente bereitstellen zu können.“

Lichter und Schatten Kurdistans

aus KUPF-Zeitung Nr. 142, 2012

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Ein Reisebericht aus dem Keller der Türkei von Katharina Gusenleitner und Thomas Rammerstorfer.

Weitgehend unbeachtet von der europäischen Öffentlichkeit tobt im Osten der Türkei seit bald 30 Jahren ein ungleicher Bürgerinnenkrieg. Katharina Gusenleitner und Thomas Rammerstorfer aus Wels sind Mitarbeiterinnen der „Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit“ und bereisten die Region im Frühling. In der kleinen Provinz Dersim lässt sich beispielhaft die Komplexität der Konflikte nachvollziehen.

Die Bürgermeisterin von Dersim kommt verspätet zum vereinbarten Treffen. Ein Begräbnis ist dazwischen gekommen, ein weiterer Freund, der das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen hat. Wie viele ihrer Amtskolleginnen aus der Region grad „drin“ sind, weiß sie nicht genau: „Vier oder fünf. Letzte Woche ist einer raus gekommen, aber ich glaube der ist schon wieder drin.“ Auch einer ihrer Vizebürgermeister sitzt gerade; Alltag in Kurdistan. Die Taktik der Repressionen hat sich geändert. Massenvertreibungen und extralegale Tötungen wie in den 80er- und 90er-Jahren sind nicht mehr an der Tagesordnung, aber jegliche zivilgesellschaftliche Regung kann ins Gefängnis führen. Manchmal reicht auch ein kurdisches Wort oder das Hören kurdischer Musik. Jede Kurdin steht unter dem Generalverdacht des Terrorismus.
Beim Spaziergang durch die Stadt zeigt die Bürgermeisterin beiläufig auf ein Haus. Hier wurde sie nach dem Militärputsch 1980 mehrere Wochen gefangen und gefoltert, erzählt sie im Tonfall beiläufiger touristischer Erläuterung.

Knapp 30 000 Einwohnerinnen zählt Dersim, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im kurdischen Gebiet der Türkei. Es waren mal deutlich mehr, doch eine einmalige Geschichte an Vertreibungen und Massenmorden innerhalb der letzten hundert Jahre haben die Region entvölkert. 1915 waren die Armenierinnen in die Wüste getrieben und massakriert worden. Nach dem Ende des Osmanischen Reiches und dem Sieg der Atatürk-Partei im „Befreiungskrieg“ gegen die Besatzung der Westmächte wandte sich der türkische Chauvinismus gegen seine ehemaligen kurdischen Verbündeten. Für die kurdischen Gebiete war der Status einer innertürkischen Kolonie vorgesehen, als Rohstofflieferant und Absatzmarkt. Dafür wurden die in offizieller Diktion dort lebenden „Bergtürken“ als unzivilisiert und rückständig gebrandmarkt. Die Massaker von Dersim 1937/38 bildeten das vorläufige Ende kurdischer Bewegungen. Die Provinz wurde entvölkert und auf Jahre zum Sperrgebiet. 1945 als Tunceli wiedergegründet, blieb die Region eines der Zentren zivilgesellschaftlicher wie auch militanter kurdischer Bewegungen und wurde somit immer wieder Ziel staatlicher Disziplinierungsmaßnahmen.

Dersim ist ein Gefängnis. Der Talkessel ist gleichzeitig auch ein Kessel im militärischen Sinne. Auf allen Gipfeln rund um die Hauptstadt ist die Armee mit Wachtürmen, Zäunen, Scheinwerfern und Abhöranlagen eingegraben. An den Zufahrtswegen sind Checkpoints eingerichtet. Vor unserem Hotel lümmeln Zivilpolizisten. Militärhubschrauber kreisen über, Panzerfahrzeuge fahren durch die Stadt, die an sich eher einem idyllischen Bergdorf gleicht, was die Szenerie umso absurder erscheinen lässt.

Dersim ist die Freiheit. Zwischen weiten Teilen der Bevölkerung scheint ein stilles Einverständnis zu herrschen, ein gewisser Stolz, trotz allem hier zu leben, in einem Ort, der den Kurdinnen auf der ganzen Welt als Synonym für Widerstand gilt. Ein älterer Herr mit bestem kurdischen Kommunisten-Schnauzbart spricht uns auf Deutsch an. 1964 ist er als Gastarbeiter nach Deutschland gegangen, berichtet er, und seine sieben Kinder leben alle dort. Einer seiner Söhne habe sogar eine Deutsche geheiratet. „Sie ist zwar sehr schön“ meint er, um leicht wehmütig hinzuzufügen: „aber ihr Vater ist Kapitalist.“

Trotz oder gerade ob dieser teils widrigen Lebensumstände sind die Einwohner Dersims ziemliche Freigeister. Freidenkerinnen und liberale Menschen in einer Art Freiluftgefängnis.
Wir treffen nicht nur die Bürgermeisterin, sondern auch andere Gemeindebedienstete, größtenteils Frauen. Dersim ist in Frauenhand. Das bemerken wir auch, als wir dem Hauptgrund unserer Projektreise einen Besuch abstatten – dem Frauenzentrum, ein von der Bürgermeisterin in Kooperation mit LeEZA begründetes Projekt und Grund unserer Reise.
In diesem einzigen Frauenzentrum der Region können Frauen aus der Stadt und den umliegenden Dörfern psychosoziale sowie rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Die meisten Frauen, die in Dersim wohnen, sind Einheimische, bzw. Binnenflüchtlinge, deren Dörfer während des Krieges der 1990er Jahre durch das türkische Militär zerstört und in Brand gesetzt wurden. Andere mussten aufgrund der Staudammbauten, von denen diese Region betroffen ist, ihre Dörfer verlassen.
Das Zentrum stellt sich als dringend benötigte Einrichtung heraus, denn die Frauen der Umgebung sind von häuslicher Gewalt ebenso bedroht wie von Übergriffen durch das türkische Militär. Bei Gesprächen mit Betroffenen wird uns bewusst, welchen Wert diese Institution für die Frauen hat. Oft ist das Zentrum der einzige Zufluchtsort für Gewaltopfer und deren Kinder. Es gibt aber auch – sehr gut besuchte! – Kurse für Männer, wo über das Wesen patriarchaler Machtstrukturen diskutiert wird. Wir haben die Möglichkeit, mit einigen dort Beschäftigten (u. a. Soziologin, Krankenschwester, Psychologin) und einer Klientin zu sprechen, und sind geschockt und fasziniert zugleich. Geschockt von der Gewalt und den Lebensumständen, denen die Frauen oft ausgesetzt sind und der Tatsache, dass der Staat sein Übriges tut, um deren Situation noch zu verschlimmern, fasziniert von der für diese Gegend einzigartigen „Sozialarbeit“ , die in dem Zentrum geleistet wird.
Im Rahmen unseres Dersim-Aufenthaltes bekommen wir weiters noch Gelegenheit ein Jugendzentrum mit eigenem Theater (Kino), in dem jährlich zwei mittlerweile etablierte Filmfestivals stattfinden, sowie ein Krisenzentrum für Drogenabhängige (Dersim ist von einem aufkeimenden Drogenproblem betroffen) und eine Nachhilfeeinrichtung zu besuchen.
In all diesen Institutionen treffen wir auf Menschen, die tolle Arbeit machen und gerührt scheinen ob des Interesses, das LeEZA für Ihren Einsatz zeigt.
Als gäbe es nicht schon genug Probleme in der Region, wird auch noch der Fluss Munzur, der unterhalb des Städtchens und durch die umliegende Gegend fließt, mit einem Staudamm verdammt! Wir stehen oberhalb des Ufers und betrachten durch den Munzur-Staudamm bereits überschwemmte Häuser, Spielplätze und so manches andere Gebäude, das einmal dem Alltagsleben der Bevölkerung diente.
Es ist kein Ende in Sicht, die Überschwemmungen werden in ihrer menschenverachtenden Weise vorangetrieben. Ziel ist die völlige Kontrolle des Wassers in der Region, vor allem zur Nutzung durch industriell betriebene, exportorientierte Landwirtschaft: Man braucht Devisen um die Industrialisierung voranzutreiben. Gleichzeitig schränkt die Mega-Staudämme die Bewegungsfreiheit der Guerilla ein. Allein der Atatürk-Staudamm ist viermal so groß wie der Bodensee, zigtausende mussten ihm weichen. Den Menschen wird die Lebensgrundlage entzogen. Von Landwirtschaft zu leben ist für die Kleinbäuerinnen kaum mehr möglich, es bleibt der Weg in die Elendsquartiere der Großstädte. Am Vortag unserer Abreise entdecken wir ein charmantes Lokal am Flussufer und besuchen selbiges gleich mittags und abends. Der Munzur, oder was davon übrig ist, zeigt seine Anziehungskraft bei Tag und bei Nacht gleichermaßen. Angesichts der „Verdammung“ genießen wir frischen Munzur-Fisch mit gemischten Gefühlen.
Die Türkei erscheint heute als dreigeteiltes Land. Der liberale, konsumorientierte Westen, die religiös geprägte Mitte und der kurdische Osten, die über einen Kolonialstatus nicht hinauskommt, und in dem ein Bürgerkrieg derzeit niederer Intensität tobt. Das Hegemoniekonstrukt des türkischen Nationalismus verbindet die AKP mit dem sunnitischen Islam. Die Widersprüche werden sich damit vielleicht oberflächlich kaschieren lassen – und das auch nur in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität –, gelöst sind sie noch lange nicht.

Wer die Arbeit von LeEZA bzw. das Frauenzentrum in Dersim unterstützen möchte: Infos auf www.leeza.at. Dort findet sich auch ein ausführlicher Bericht über die weiteren Stationen der Reise.

Mag.a Katharina Gusenleitner, geboren in Wels, Studium der Rechtswissenschaften in Wien, Sprach-, Rhetorik- und Schauspielausbildung in Linz, Vorstandsmitglied im Verein „Reizend“, Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Medienvielfalt, derzeit beschäftigt als Juristin für u.a. Unternehmensrecht und im MBA-Studium.

Thomas Rammerstorfer, geboren in Wels, aktiv u. a. beim Infoladen Wels und LeEZA. Inhaltliche Schwerpunkte: Rechtsextremismus, Jugendkulturen, Türkei.