Salafismus und Reaktion in Oberösterreich

„Lies!“ ist die simple Forderung, unter der freundliche, meist bärtige junge Männer in mitteleuropäischen Innenstädten kostenlos Koranexemplare verteilen. 2011 startete die Aktion in Deutschland. Ziel ist es, allein dort 25 Millionen Exemplare unter die Menschen zu bringen, einen pro Haushalt. Mittlerweile wurde die Kampagne auf zahlreiche weitere europäische und asiatische Städte ausgedehnt. In Österreich bilden Wien und Linz die Schwerpunkte der Missionierungstätigkeit. Weitere im Jahr 2014 in dieser Hinsicht beglückte Orte in Oberösterreich waren/sind Wels, Steyr, Vöcklabruck, Braunau, Ried im Innkreis und Gmunden. Diese Street Dawa („Straßenmissionierung“) ist derzeit das wichtigste und für Außenstehende natürlich offensichtlichste Instrument salafistischer Propaganda. Immer wieder kommt es zu Debatten: Sind das harmlose Spinner, anständige Idealisten oder gar potentielle Terroristen, die ihre weißen „Lies!“-Westen jederzeit gegen einen Sprengstoffgürtel tauschen würden?

„Die wahre Religion“ in Österreich

Zwei offizielle facebook-Seiten betreibt das „Lies!“-Projekt in Österreich. Eine widmet sich der internationalen Kampagne und bringt Nachrichten aus aller Welt. Die andere berichtet ausschließlich über die Dawa-Aktivitäten in Österreich, in erster Linie die Koranverteilungen. Dazu kommt das eine oder andere Video von unbürokratischen Spontankonversionen. Es reicht, das islamische Glaubensbekenntnis nachzusprechen, schon wird man unter „Allahu Akber!“-Rufen in die Gemeinschaft aufgenommen. Die Bilder zeigen dekorierte Büchertische mit dem auf ein Buch begrenzten Sortiment und junge Männer, mit Bart, soweit es der Hormonhaushalt schon zulässt. Nur auf wenigen Fotos sind ältere Herren zu sehen, so z. B. bei jenen vom Tisch im Juni im Donauzentrum in Wien. Hier steht Ibrahim Abou-Nagie bei den Kids – einer der einflussreichsten Prediger der radikalen Szene und „Erfinder“ der Koranverteilungen. Der Besuch in Österreich wird auch auf Video festgehalten . Es zeigt Abou-Nagie in der Mariahilfer Straße – alle paar Sekunden wandert ein Koran über den Tisch in die Hände interessierter PassantInnen. Im Interview spricht er von 1 Million Konvertiten in Deutschland und schwadroniert munter drauf los über die freundlichen Menschen in Österreich und die Vorteile des Handabhackens als Strafe für Diebe: „Die Menschen, die Angst haben, dass ihre Hand abgehackt wird, die brauchen nicht zu klauen“. So einfach ist das.
Abou-Nagie und seine Gruppe „Die wahre Religion“ (DWR) sind die größte und aktivste Salafistengruppe in Österreich. Die österreichischen facebook-Seiten haben keine eigenen Homepages, sondern verweisen direkt auf Abou-Nagies www.diewahrereligion.de. Ident sind die österreichischen facebook-Inhalte auch mit jenen von www.hausdesqurans.de.
Während sich Abou-Nagie eher rarmacht, ist der charismatische und jugend-tauglichere DWR-Prediger Pierre Vogel Stammgast in Oberösterreich. Seit 2008 tritt er etwa einmal im Jahr hier auf, Gastgeber sind die einschlägigen Moscheevereine Kewser in Linz und Sahwa in Wels. An die 100 Zuhörende pro Vortrag (2012 in Linz anscheinend auch eine Schulklasse!) kann Vogel in Österreich anlocken. Zuviel, aber eingedenk seines Popstar-Status in der Szene eine doch überschaubare Menge.
Laut ernsthaften deutschen IslamexpertInnen wie Nina Wiedl und Claudia Dantschke ist DWR dem radikalen Spektrum zuzuordnen, d. h. zum „Djihad“ wie in Syrien wird zwar nicht aufgerufen, man zeigt jedoch durchaus Verständnis dafür. Verschwörungstheorien, Antisemitismus, das Delegitimieren demokratischer Systeme und die Abwertung von Frauen und Homosexuellen sind weitere Konstanten in der DWR-Propaganda.

Was tun?

Bei aller Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung: Pauschale Angriffe auf den Islam nutzen nur der radikalen Minderheit unter den MuslimInnen. Die anti-muslimischen Hetzer sind deren wichtigste Verbündete; Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen treiben Jugendliche in die Hand extremer Prediger. Das heißt, ein wirkungsvoller Kampf gegen Desintegrationsprozesse muss immer auch einer gegen heimische rechte Hetzer sein.
Das bedeutet aber nicht, über antidemokratische Einstellungen und deren ideologische Hintermänner in der muslimischen Community zu schweigen. Diese Einstellungen finden sich über das salafistische Spektrum hinaus in einer Reihe nationalistisch-islamistischer Gruppierungen wie etwa in der türkischen Millî Görüş – Bewegung, oder in einer rechtsextremen Ausprägung bei den „Grauen Wölfen“. Die DemokratInnen werden in der nächsten Zeit an mehreren Fronten zu kämpfen haben.

Thomas Rammerstorfer

Was ist Salafismus?
Die AnhängerInnenschaft der „Salaf“ (arabisch: die Vorgänger, die Altvorderen) stehen für eine erzkonservative Richtung im sunnitischen Islam. Die Salafisten streben ein Leben nach einer wortgetreuen Interpretation des Koran an, sie lehnen alle Anpassungen, die die Religion seit dem 7. Jahrhundert widerfahren haben, ab. Der Salafismus ist keine neue Bewegung, weshalb von manchen IslamwissenschafterInnen für das heutige Phänomen auch der Begriff Neo-Salafismus verwendet wird. In Saudi-Arabien ist mit dem Wahhabismus eine Spielart des Salafismus Staatsreligion. ExpertInnen differenzieren vier verschiedene – allerdings untereinander korrespondierende – Stoßrichtungen: Die „puritanische“ Richtung, die in erster Linie im alltäglichen Leben den Koranregeln entsprechen will, sich aber nicht politisch betätigt. Eine zweite, politische Richtung, die aktiv „Dawa“, das muslimische Pendant zur christlichen Missionierung, betreibt. Als Drittes die „Radikalen“, die den bewaffneten Kampf zwar nicht aktiv propagieren oder praktizieren, ihn aber doch unter Umständen für legitim befinden. Am extremen Rand der Szene stehen die Unterstützer und Praktikanten terroristischer und sonstiger militanter Aktivitäten.
In Deutschland geht man von etwa 7000 AnhängerInnen des Salafismus aus, das sind dort weniger als 0,2 % aller Menschen muslimischen Glaubens.

1 http://www.diewahrereligion.de/jwplayer/index.htm „Besuch in Österreich“
2 Bei dieser Zahl dürfte der Wunsch Vater des Gedanken sein. Seriösere Quellen sprechen von ca. 40 000

Artikel aus „Antifa Jahresforum 2014“, herausgegeben von der Welser Initiative gegen Faschismus

„Des kloane Mäderl war nix gschamig…“ – Frauenbilder bei Andreas Gabalier

Er ist der derzeit mit Abstand erfolgreichste österreichische Musiker: Andreas Gabalier. 600.000 Einheiten hat er in wenigen Jahren verkauft, die Musikpreise fliegen ihm zu, die Konzerthallen sind ausverkauft, er hat eine eigene Modemarke am Start und seine eigene TV-Show, die im gesamten deutschsprachigen Raum ausgestrahlt wird. Er ist der Höhepunkt einer seit gut 20 Jahren anhaltenden Entwicklung, des Siegeszuges einer alpinen Pop-Variante, die auch die Modewelt konterrevolutionierte. Das Produkt Gabalier ist perfekt in Szene gesetzt, hier stimmt alles von der Frisur bis zur beachtlichen Qualität der BandmusikerInnen. Und natürlich die politische Einstellung: Gabalier vertritt konservative Werte, Heimatliebe und Idealisierung des Natürlichen, Lob von Männlichkeit und Kameradschaft. Alles mit Augenzwinkern, oft in Form zotigen Landhumors. Besonders bemerkenswert ist seine Haltung zu Frauen; oder Nicht-Haltung dazu. Denn in Gabaliers Textwelten kommen zumindest erwachsene Frauen kaum vor. Dem bleibt er auch in seiner Interpretation der Bundeshymne ohne „große Töchter“ treu und in seinem Kampf gegen das „Binnen-I“ treu.

Was haben wir für Bezeichnungen für das weibliche Geschlecht bei Gabalier? Da wären etwa
„Zuckerpuppen“, „Baby“, „Engerl“, „liabes Weiberl“, “liabes Rehlein” „sweet little thing“, “sweet little Rehlein”, „Mäderl”, „Mäderle“, „fesche Madeln“, „kloane Mäderl“, „mein schönes Kind“, und „fesche Dirndln“.
Verniedlichung und Verkindlichung von Lustobjekten ist natürlich insbesondere in Liebeslieder keine Seltenheit, eher sogar die Regel. Auffallend hingegen ist die relative Unzweideutigkeit, mit der der Grazer Jus-Student das Anbahnen sexueller Handlungen auch mutmaßlich Minderjähriger beschreibt, wie im Titel „Fesche Madeln“:

„Des Kloane Mäderl
war nix gschamig und setzt sich auf den Buam drauf
und sie mocht des erste Knopferl
von ihrn engen Bluserl auf“

In einer Live-Version, beim Konzert in der Wiener Stadthalle 2012, fügt Gabalier an das Publikum gewandt noch hinzu: „Wo san die engen Bluserl? Für jedes offene enge Bluserl gibt’s a Schneiztiachl gschenkt“. Geilspechtelei als Unterhaltungsprogramm. Die Halle tobt vor Freude. Erwachsene Frauen kommen bei Gabalier nur selten vor. Und wenn, dann ist ihre Aufgabe ist die Verführung junger, „unschuldiger“ Männer, wie im Titel „Meine Stewardess“: „Ich war doch noch ein Kind“ heißt es, nachdem der Ich-Erzähler des Liedes offenbar Geschlechtsverkehr mit einer Stewardess auf der Toilette eines Flugzeuges hatte.
In „Die Beichte“ besingt er ähnliche „Probleme“:

„Die Hintermoser Kathl is a Saubartel gwesen
I hob viel oba so was hab i nu net gseng
Mit 14 hats ma wolln des erste Busserl geben“

Im gleichen Lied äußert er sich noch wie folgt zum Thema:

„Reiten sagt man lernt ma auf an alten Radl,
oba knackig san im Regelfall die jungen Madl“

Natürlich tauchen auch Männer auf bei Gabalier. Da wären z. B. der „Bergbauernbua“, der „Teifi“, der „Rehbock“, ein „fescher Kampl“, „flotte Buam“ und „Heimatsöhne“.

Thomas Rammerstorfer

t.rammerstorfer@gmx.at

10. 11. 2014: „Graue Wölfe – Rechtsextremismus aus der Türkei“ in Salzburg

Montag, 10. November um 19:00
Unipark Nonntal, Hörsaal Agnes-Muthspiel, Salzburg

Inspiriert von Europa und unterstützt von Nazi-Deutschland entstand auch in der Türkei der 40er Jahre eine faschistische Bewegung, die „Grauen Wölfe“, die sich ab den 60ern in der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) zusammenfanden. Seit ihrer Gründung steht die Partei für rabiaten groß-türkischen Chauvinismus, sie ist für tausende Morde an fortschrittlichen TürkInnen und KurdInnen verantwortlich.

In Österreich erfreuen sich die „Grauen Wölfe“ eines großen Zulaufs an Jugendlichen, eine Entwicklung die durch den zunehmenden anti-türkischen Rassismus beschleunigt wird. Die MHP`ler sind in Vereinen mit meist harmlos klingenden Namen organisiert; sie und andere nationalistische Gruppierungen versuchen dadurch Einfluss in der österreichischen Gesellschaft, insbesondere der Integrationsszene zu gewinnen – mit Erfolg…

Den Vortrag hält der Rechtsextremismusexperte Thomas Rammerstorfer, der neben jahrelanger Recherche- und Aufklärungsarbeit auch auf die thematisch relevante Buchveröffentlichung „Grauer Wolf im Schafspelz – Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft“ (mit Kemal Bozay, Thomas Schmidinger und Christian Schörkhuber) zurückblicken kann.

Eintritt frei, Spenden für Flüchtlingsorganisation „Rote Sonne Kurdistan“ erbeten!

Eine Kooperationsveranstaltung von:
– Antifaschistisches Informations- und Solidaritätskollektiv Salzburg
– ÖH Salzburg
– Kurdischer Kulturverein Salzburg

26. 11. 2014: „RECHTS – NATIONAL – RASSISTISCH – JUNG“ in Linz

15:00 – 21:00
Wissensturm, Linz

Veranstaltungssaal E09; Eintritt frei

RECHTS – NATIONAL – RASSISTISCH – JUNG
Rechtes Gedankengut als Jugenddroge
Referate – Diskussion – Workshops

Rechtes, ja sogar rechtsextremes Gedankengut ist längst keine Randerscheinung mehr. Es scheint, dass sieben Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs Rechtspopulismus, Nationalismus und rassistisches Denken die Mitte unserer Gesellschaft erreicht haben. Vor allem im Bereich der Jugendkultur fallen diese Tendenzen auf besonders fruchtbaren Boden. Das muss beunruhigen und ruft zum aktiven Handeln auf, nicht nur hierzulande, sondern in vielen Teilen Europas.

15:00 Rechter Müll in sozialen Netzwerken
Johannes Baldauf

16:00 Grenzenlos rechtsextrem
Mag. Mario Born, Thomas Rammerstorfer

17:00 Fundamentalismus – Rechtsextremismus
Dr. Roman Schweidlenka

Vortrag und Podiumsdiskusion
19:00 „Rechts – national – rassistisch – jung“
Podiumsdiskussion mit Susanne Scholl, Johannes Baldauf, Mario Born,
Thomas Rammerstorfer und Roman Schweidlenka
Moderation: Mag.a Wiltrud Katherina Hackl

18. 11. 2014: Eröffnung der Ausstellung „Wir von überall – Zur Migrationsgeschichte des Welser Stadtteils Lichtenegg“

Ausstellung von 18. November 2014 – 19. Jänner 2015 im Welser Rathaus

Begrüßung::
Bürgermeister Dr. Peter Koits
Eröffnung:
Vizebürgermeister Peter Lehner
Einführende Worte:
Thomas Rammerstorfer

Kaum ein Ort in Österreich erlebte mehr Migration als der Welser Stadtteil Lichtenegg. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges kamen Kriegsgefangene, ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge; später ausgebombte „Reichsdeutsche“ und OsteuropäerInnen. Nach ´45 bewohnten tausende jüdische Flüchtlinge das Lager 1001, ab 1952 wiederum vor allem „Volksdeutsche“ und andere OsteuropäerInnen.

Der Aufstand 1956 in Ungarn füllte das Lichtenegger Flüchtlingslager erneut. Auch Indochina- bzw. Vietnamkrieg hinterließen ihre Spuren, dazu kam die Arbeitsmigration ab den 1960ern. Mit dem in den 1970ern entstandenen Lichtenegger Stadtteil Noitzmühle haben wir heute einen Ort mit besonders vielen MigrantInnen – internationalen einerseits, aber auch viele BinnenmigrantInnen aus ländlichen Regionen Österreichs andererseits. Interessanterweise ist diese lebhafte, belebende, aber auch mitunter konfliktgeladene Geschichte den EinwohnerInnen des Stadtteils selbst nur wenig bewusst. Um dies zu ändern, wollen wir eine Ausstellung organisieren, in der sich alle Interessierten mit der Geschichte Lichteneggs vertraut machen können.

Wir wollen Geschichte erlebbar machen, anhand „unseres“ Viertels. Von den beiden Weltkriegen und ihren Folgen zu den kommunistischen Machtergreifungen in Osteuropa, vom Ungarnaufstand `56 bis zum Vietnamkrieg, vom Fall des Eisernen Vorhanges bis zu den Jugoslawienkriegen: Alle diese Ereignisse haben ihre Spuren in Lichtenegg hinterlassen.
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Kurdistan-Solidarität Wels

Warum „Kurdistan-Solidarität Wels“?

Seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien haben sich mehrere Gebiete mit kurdischer Bevölkerungsmehrheit de facto autonom entwickelt. Weitgehend gelang es den „Volksverteidigungskräften“ (YPG), den Krieg aus diesen Gebieten rauszuhalten. Es wurde eine eigene Verwaltung aufgebaut, in der auch die nicht-kurdischen Minderheiten repräsentiert waren, so wurde jeder Ministerposten dreifach, mit VertreterInnen der KurdInnen sowie der muslimischen und der christlichen AraberInnen besetzt. Frauen genießen in dieser Region eine wohl einzigartige Gleichberechtigung und in sind in Politik, Verwaltung und den Milizen präsent.

Seit der Kapitulation der irakischen Armee gegen den „Islamischen Staat“ bei Mossul ist die Situation zunehmend kritischer geworden. Im August gelang es der YPG gemeinsam mit der türkisch-kurdischen PKK noch einen Genozid an der religiösen Minderheit der Yeziden zu verhindern. Doch die eigenen Gebiete kann man, selbst in Stich gelassen von der Weltöffentlichkeit, nun nur mehr schwer verteidigen. Die Mittlere der drei kurdischen Regionen, Kobane, steht unmittelbar vor dem Fall.
Die humanitäre Katastrophe sprengt jeden Rahmen. Millionen Menschen sind vom Völkermord bedroht und auf der Flucht.
Wir organisieren in Zusammenarbeit mit kurdischen Vereinen in Österreich Hilfe. Zuerst sammeln wir Medikamente (schmerzstillende Mittel, fiebersenkende Mittel, Wund- und Heilsalben, Desinfektionsmittel) sowie Geld.

Warum die Kooperation mit kurdischen Vereinen anstatt mit großen NGOs?
– Über die Strukturen der KurdInnen kann auch in Gebieten geholfen werden, die von internationalen Organisationen nicht beliefert werden
– Die KurdInnen wissen selbst am besten, was sie wann und wo brauchen
– Einige große türkische Hilfsorganisationen stehen dem nationalistisch-islamistischem Spektrum nahe und benachteiligen die KurdInnen
– Selbstverständlich arbeiten alle ehrenamtlich – jeder Cent geht nach Kurdistan

Der Abschaum aller Länder, der sich im „Islamischen Staat“ zusammen gerottet hat, ist eine akute Bedrohung für uns alle. Bislang wird er nur von den KurdInnen konsequent bekämpft, dafür sind sie einer besonders grausamen Verfolgung ausgesetzt. Lassen wir sie nicht alleine!

Für Sachspenden: Bitte via www.facebook.com/kurdistanwels oder t.rammerstorfer@gmx.at anfragen.

Thomas Rammerstorfer
Zahlungszweck: „Spende“
BIC VBWEAT2WXXX
IBAN AT 84 44800 414613 00000
Welser Volksbank

Alle Spenden werden aufgelistet (anonym oder nicht – wie ihr wollt) – die Liste kann auf Wunsch eingesehen werden.

3. 10. 2014: „Grenzenlos rechtsextrem“ in Steyr

Grenzenlos rechtsextrem – Die braune Szene in Bayern und Österreich. Parallelen, Unterschiede und Vernetzungen
Vortrag von Mario Born und Thomas Rammerstorfer

Die rechten Milieus Bayerns sind insbesondere mit den angrenzenden österreichischen Bundesländern eng vernetzt. Ob in subkulturellen Szenen oder den Kameradschaften, auf Ebene der legalen Parteien, bei rechtsextremen „Heimatvertriebenen“ oder in kriminellen Banden: Man versteht sich. Born und Rammerstorfer liefern einen Überblick über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sowie über bisher unveröffentlichte Entwicklungen, die Geheimdienste und Polizei beider Länder beschäftigen. Auch die historischen Kontinuitäten kommen im Vortrag nicht zu kurz, war es doch neben den Sudetengebieten vor allem der bayerisch-österreichische Raum, in dem die NSDAP in den 1920ern entstand. Ein Erbe, das bis heute wirkt und in der Gegenwart gefährliche Blüten treibt – bis hin zur akuten terroristischen Bedrohung.

19.30 im KV Röda
http://roeda.at/events/vortrag-grenzenlos-rechtsextrem-von-und-mit-thomas-rammerstorfer/

Die „Alternative für Deutschland“ und ihre Freunde in Österreich

Mit nahezu 10 % ist die rechte AfD in den Landtag von Sachsen eingezogen – die Partnersuche in Österreich erwies sich bisher als schwierig.

Es hätte alles so schön werden können. Im Dezember 2013 präsentierte die Spitze des „Bündnis Zukunft Österreichs“ (BZÖ) sich gemeinsam mit drei Landesvorsitzenden der AfD im Wiener Cafe Landtmann der Presse. „Nur gemeinsam haben wir eine Chance dieses Europa noch zu retten“, sprach der AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, Michael Heendorf (1). Doch es wurde nichts: Zwar triumphierte die AfD bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2014 überraschend mit 7,1 %, doch das BZÖ verschwand mit grade einmal einem halbem Prozentpunkt fast gänzlich von der Bildfläche. Die AfD stellt nun sieben Mandatare und somit mehr als irgendeine österreichische Partei in Brüssel. Dort findet sie sich mittlerweile in der Fraktion „Europäische Konservative und Reformisten“ unter Führung der britischen Tories wieder.

Auf struktureller Ebene hat die AfD nun keinen wirklichen Partner in Österreich, eine im September 2013 gegründete „Alternative für Österreich“(2), die gerne diesen Platz eingenommen hätte, erwies sich als Totgeburt. Zur FPÖ ging man (vorerst) auf Distanz, zu weit rechts außen stehe sie.
Schon vor der EU-Wahl wurden Kontakte der Münchner AfD zu Ewald Stadler geknüpft. Der ehemalige FPÖ- und BZÖ-Politiker, der nunmehr eine christlich-rechtsextreme Splittergruppe anführt – die „Reformkonservativen“ (REKOS) – war im Hofbräuhaus als Redner zu Gast. Seinen Ausführungen über eine mutmaßliche Weltverschwörung der Freimaurer lauschten bekannte Persönlichkeiten aus der rechten Ecke(3).

Von Anfang an voll des Lobes für die AfD war der FPÖ-Ideologe Andreas Mölzer. Er bezeichnete sie als „politische Entsprechung der Freiheitlichen“(4) in Deutschland. Mölzer, der seine geplante Spitzenkandidatur für die FPÖ bei den EU-Wahlen 2014 zurückziehen musste – er war wegen allzu rechtsextremer Äußerungen in Ungnade gefallen – dürfte umgekehrt auch bei einigen AfD-Politikern beliebt sein. Drei Kandidaten für die sächsische Wahl luden ihn im Rahmen einer „Patriotischen Plattform“ zum Gespräch nach Leipzig(5). Die Veranstaltung zum Thema „Chancen der patriotischen Parteien in Europa“ wurde jedoch abgesagt – ob dafür, wie angegeben, eine Erkrankung Mölzers oder doch AfD-interne Zwistigkeiten über den Umgang mit dem rechten Rand verantwortlich waren, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.

Thomas Rammerstorfer

1 http://orf.at/stories/2210120/

2 http://derstandard.at/1379291727618/Alternative-fuer-Oesterreich-formiert-sich

3 http://www.aida-archiv.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4426%3A6-maerz-2014&catid=248%3Amaerz-2014&Itemid=1

4 http://www.fpoe.at/aktuell/detail/news/moelzer-afd-hat-bei-bundestag/

5 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-laedt-zum-abend-mit-andreas-moelzer-in-leipzig-a-986281.html

Erzfeind Israel – Antisemitische Parolen und Übergriffe durch Menschen aus der Türkei – wer heizt die Stimmung an? Anmerkungen zum Thema.

Kein geopolitisches Thema bewegt die türkische Community intensiver als die israelische Militäroperation im Gaza. Hunderttausende gingen in den vergangenen Tagen auf die Straße, es kam zu gewalttätigen Übergriffen und soziale Medien sind nahezu überschwemmt mit anti-israelischen und/oder antisemitischen Parolen und Bildchen. Die Vorkommnisse im Gazastreifen empören in der Türkei zweifellos mehr Menschen als der ungleich blutigere und die Türkei deutlich mehr betreffende Bürgerkrieg in Syrien.
Betrachtet man die über 880 vorwiegend türkisch-stämmigen Angemeldeten für die Pro-Gaza-Demo in Linz, hat man wohl einen ungefähren Durchschnitt dieser Bevölkerungsgruppe: Säkulare und Religiös-Konservative, Rechte und Linke in allen Spielarten von bekennenden KPÖ-Anhängern, linken KurdInnen bis zu MHP-Faschisten, SchülerInnen und UnternehmerInnen, Männer und Frauen – letztere ebenso mit Kopftuch wie auch im Minirock, ATIB- und Milli Görüs-Gruppen. Der Demo-Aufruf erfolgte von einer Seite namens „free Palestine“, einer bei facebook als Gemeinschaft angemeldeten Gruppe (?), deren Betreiber sich nicht die Mühe machen, Objektivität oder Friedfertigkeit zu heucheln: „Die scheis israelis kriegen dass und mehr zurück die scheis Bastarde“ oder (über eine israelische Abgeordnete) „Solche missgeburten würde gerne die fresse pullieren“ schreibt „free Palestine“. Kritische Kommentare dazu? Fehlanzeige.

Angesichts der heterogenen DemonstrantInnenschar hat man nicht den Eindruck, es handle sich bei den Gaza-Fans um einen Haufen ungebildeter Landeier und religiöser Eiferer. Nein, es sind sogar auffallend viel Menschen darunter, die man als „bestens integriert“ bezeichnen würde: GymnasiastInnen und Studierende, UnternehmerInnen und höhere Angestellte. Warum ist das so, in einem Land, wo Antisemitismus recht wenig Tradition hat?

Die AKP und die NationalistInnen

Premier Erdogan hat viele Gründe, den Konflikt anzuheizen. Zum einen kann er sich als Schirmherr des sunnitischen Islams inszenieren, als heimlicher Kalif quasi, dessen Worte und Werte auch jenseits der türkischen Grenzen Gewicht haben. Nach einem langen Jahr mit den Gezi-Park-Protesten, dem Unglück von Soma, dem Zerwürfnis mit der mächtigen Gülen-Bewegung und ohne Verhandlungserfolg mit den KurdInnen kommt die Eskalation in Gaza kurz vor den Wahlen im August wie bestellt. Die einzige Frage, in der ein nationaler Konsens zu herrschen scheint, bestimmt nun die Politik und die Stimmung der Gesellschaft. Erdogan wird die Wahlen im Gaza-Streifen gewinnen.

Bei der extremen Rechten war der Antisemitismus zwar virulent vorhanden, aber selten intensiv ausgelebt worden. Für kapitalistische Krisen machte man in der Türkei traditionell ArmenierInnen verantwortlich. Ebenso für die Gründung der PKK. Da ArmenierInnen und KurdInnen momentan nur beschränkt als Feindbild taugen, hat man sich nun aber auch verstärkt Israel zugewandt. Erdogans Position wird als zu lasch kritisiert, gezielt werden Gerüchte im Umlauf gebracht (auch von den Vereinen der „Grauen Wölfe“ in Österreich), Erdogan paktiere in Wahrheit mit den JüdInnen.
Auch der Ablenkung von der eigenen Minderheitenpolitik dient die Dämonisierung Israels. Wenn Israel einen Völkermord an den PalästinenserInnen begeht, dann muss ja die türkische Politik gegenüber den ArmenierInnen und KurdInnen fast human sein.
Ein weiterer, noch wenig bedachter Effekt. Die Dämonisierung nahezu aller „westlicher“ Waren als „jüdisch“ und das gleichzeitigen Bewerben türkischer Waren mittels einfacher Bildchen. Ein Schelm, wer hier an billige umsatzsteigernde Maßnahmen denkt:
israil

Die Linke

Auch die linken Organisationen und Parteien versuchen sich in rabiatem Israel-Hass und darin, Erdogan als Heuchler darzustellen, der hinterrücks nach wie vor Geschäfte mit Israel macht:
didf

Die Linke präsentiert sich gefangen im Antiimperialismus der 1960er und 1970er Jahre. Jeder Konflikt muss zwangsläufig in das Schema „Befreiungsbewegung vs. Imperialisten“ gepresst werden. Logik oder gar Analyse bleiben auf der Strecke. Zum politischen Islam fällt einem nicht mehr ein, als Organisationen die einem gerade in den Kram passen als antiimperialistisch zu deuten (Hamas), jene die das nicht tun als „von imperialistischen Mächten gesteuert“ (wie der „Islamische Staat“ in Syrien und dem Irak). Der Komplexität der Region kann man so nicht gerecht werden. Und will man auch nicht: Lieber beteiligt man sich an den inner-türkischen Meisterschaften im Israel-Bashing. Die in Österreich vertretene ATIGF („Föderation der Arbeiter und Studenten aus der Türkei in Österreich“) schwafelt von der „faschistischen Diktatur Israel“, die DIDF („Föderation Demokratischer Arbeitervereine“) findet den Vergleich des Staates Israel mit dem NS-Regime treffend:
didf4

Die Jugendkultur

Antisemitische Statements und Weltverschwörungstheorien sind eine Selbstverständlichkeit in Teilen der deutschen bzw. deutsch-migrantischen Hip Hop-Kultur geworden, deren KonsumentInnenkreis natürlich nicht nur, aber auch große Teile der türkisch-stämmigen Kids umfasst. Eine ganze Reihe relevanter Künstler des Gangster- bzw. Battleraps zeigen sich hier verhaltensauffällig: Integrationspreisträger Bushido etwa twitterte eine Landkarte, auf der Israel nicht mehr existiert – an seiner Stelle gibt es nur mehr „Palestine“. Kurdo, der deutsche Rapper mit kurdisch-irakischen Wurzeln äußerte sich auf facebook hocherfreut über den Platzsturm eines antisemitischen Mobs in Bischofshofen: „Ich Feier die Jungs“ und „Bin voll auf eure Seite Jungs“ kommentierte er und erntete dafür an die 30 000 „Gefällt mir“. Das Befürworten antisemitischer Übergriffe als Massenphänomen. Der deutsch-kurdische Musiker Haftbefehl untermauert seine Forderung „Free Palestine“ im gleichnamigen Video mit dem Herumfuchteln mit einer Bazooka und rappt in „Psst“, er verkaufe „Kokain an die Juden von der Börse“. Fix im Programm haben den Antisemitismus noch weitere Acts wie Celo & Abdi oder Bözemann. Kollegah formuliert etwas vorsichtiger in seinen Liedern über die Weltverschwörung der Freimaurer und Illuminaten, die auch im christlichen Mainstreamer Xavier Naidoo einen Gläubigen gefunden hat.

Was bleibt

Es gibt einen fixen Anti-Israel-Konsens in der türkischen politischen und medialen Landschaft. Dieser wird via Satellitenfernsehen und social media in alle Teile der Welt hinausgeplärrt. Gruppierungen des politischen Islams teilen diese Politik, unterscheiden sich aber in ihrer Propaganda wenig bis gar nicht vom Antisemitismus der säkularen Rechten und der Linken. Die Sache hat also viel mit türkischer Innenpolitik und wenig mit Religion zu tun. Und sie spielt sich vor allem auf der Gefühlsebene ab, die wiederum mit möglichst blutrünstigen Bildchen, bevorzugt verletzten oder toten Kindern, angesprochen wird. Dagegen argumentiert es sich schwer. Kritische Stimmen, die es durchaus auch aus der türkischen bzw. kurdischen Community gibt, werden rasch niedergebrüllt. Es wird wohl erst nach dem Ende der Kampfhandlungen in Gaza und dem damit verbundenen Abflauen der Hysterie möglich sein, überhaupt miteinander zu sprechen.