Samstag, 24. Jänner auf der Linzer Hauptstraße: „Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen!“ steht auf einem Schild, davor marschieren neben den veranstaltenden Notabeln der Islamischen Glaubensgemeinschaft und der katholischen Kirche die heimischen SpitzenpolitikerInnen von SPÖ (Klaus Luger, Gertraud Jahn) und Grünen (Rudi Anschober). Zur Samstagsrede schaut auch Landeshauptmann Pühringer vorbei.
Wie eng man diese Grenzen zieht, wird schon im Vorfeld klar gemacht: Neben „keine Flaggen“ oder „kein Geschrei, keine Parolen“ heißt es da auch „keine „ich bin Charlie“ Plakate, seien sie auf deutsch oder auf französisch“. Die weltweite Solidaritätsparole mit den Opfern von Paris ist nicht erwünscht in Linz. Nachzulesen in der Anordnung der „Islamischen Glaubensgemeinde“ an die TeilnehmerInnen.
Ebenso nicht erwünscht – oder zumindest nicht eingeladen – waren kurdischen, alevitische, jüdische und linke Organisationen. Auch das Oberösterreichische Antifa-Netzwerk nicht. Blieb ein relativ skurriles Sammelsurium aus allerhand Moscheevereinen, der Volkshilfe, Migrare und dem Linzer Ableger der faschistischen „Grauen Wölfe“ (Avrasya). Dominiert wurde der Aufmarsch von einem gutem Dutzend „ALIF“-Transparenten. ALIF (Avusturya Linz Islam Federasyonu = Millî Görüş) kann man zu diesem Coup nur gratulieren, Außenstehende müssen wohl den Eindruck einer reinen Millî Görüş-Veranstaltung bekommen haben.
Nun ist es zum einen erfreulich, dass sich auch konservative Muslime gegen Terrorismus aussprechen wollen. Ein ähnliches Engagement „mehrheitsösterreichischer“ Konservativer gegen rechtsextreme Gewalt vermissen wir schmerzlich. Trotzdem: der Ausschluss von einigen der Hauptopfergruppen djihadistischer Verbrechen hinterlässt einen schalen Beigeschmack.
Dass es auch anders geht hat man glücklicherweise zwei Wochen vorher in Wels gezeigt. Auch hier initiierten die Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Friedenskundgebung, es wurden aber auch linke kurdisch-türkische und antifaschistische Organisationen zur Teilnahme eingeladen. Und Charlie durfte auch dabei sein.
Thomas Rammerstorfer
PS: Eine Kritik gibt es auch von der Taksim Initiative Linz: http://www.taksiminitiativelinz.at/image-kur-fuer-das-ansehen-des-politischen-islam-im-stil-einer-populistischen-strategie/
1 Veröffentlicht am 22. Jänner 2015 auf verschiedenen Facebook-Seiten
2 Zumindest keine der von mir befragten; ich bitte um Hinweise, falls ich hier falsch liege.