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Neue Frei.Wild-Platte: Alte Werte und neue Themen

Die Band Frei.Wild, deren Texte ich bei verschiedenen Gelegenheiten als rechts-konservativ, nicht aber wie andere als rechtsextrem einschätzte, bat mich um meine Meinung zum im März 2015 erscheinenden Album. Also ab nach Südtirol.
„Jetzt verstehst du unsere Lieder“ lacht Philipp Burger, Sänger, Texter und Gitarrist der Band, als er mich beim Hotel abholt und ich die schönen Aussichten auf die Berge der Region erwähne. Wir haben uns im Mai 2013 bei einem Konzert in Kufstein kennengelernt und miteinander auch schon eine Diskussionsveranstaltung im Wiener Gasometer absolviert. Die Fahrt ins Studio unterbrechen wir für ein Bier im Wirtshaus an der Mahr, dessen ehemaliger Besitzer Peter Mayr ein Mitstreiter des Andreas Hofer im Kampf gegen die Franzosen war: Ein Tiroler Held.
Burger erzählt: Er absolviert gerade die Ausbildung zum Landwirt, das mache ihm Spaß. Vom Film „We feed the World“ zeigt er sich schwer beeindruckt, immer wieder kommt er im Laufe des Nachmittags darauf zurück. Die Folgen der Globalisierung geben ihm zu denken, die miesen Lebensmittel, aber auch die Ausbeutung der Menschen in der Agrar-Industrie. Überhaupt ist er ein vielseitig interessierter und absolut politischer Mensch. Jedenfalls geht’s ab ins Studio, wo Schlagzeuger Christian Fohrer und Bassist Joachim Gargitter zu uns stoßen.
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„Opposition“ wird das neue Album heißen, wogegen man opponiert wird mir an diesen Nachmittag nicht ganz klar, weitestgehend befindet man sich textlich im Meinungs-Mainstream. Der Lauschangriff beginnt. Die erste Single, das dieser Tage erschiene „Wir brechen eure Seelen“, ist textlich ein nahezu archetypischer Frei.Wild-Song. Wir werden bekämpft, es werden Lügen über uns erzählt, wir werden aber standhalten, ist die bekannte Botschaft. Glücklicherweise geht’s nicht so weiter. Rechte Sprüche und dubiose Vergleiche der Vergangenheit, die die Band stets als Missverständnisse, die Kritik mitunter als Nazi-Botschaften wertete, gehören der Vergangenheit an.
Problematisch wird’s, wenn Frei.Wild in dasselbe Muster verfallen, das sie gerne ihren KritikerInnen vorwerfen: Nämlich undifferenziert Andersdenkenden Faschismus vorzuwerfen oder diese mit Nazis zu vergleichen. Und das passiert leider in zwei Liedern:
„Verstehe doch, du bekriegst die Falschen. Und bist zudem genau so schlimm wie die ganzen Nazi-Spasten. Denn die haben auch nur Hass im Sinn“ heißt es in „Wir brechen eure Seelen.“
Ähnlich dann auch im auf einen Frei.Wild-Kritiker bezogenen Song „Akzeptierter Faschist“. Ich äußere mich den drei Frei.Wild-Mitgliedern gegenüber dementsprechend. Burger verteidigt die Texte, meint, es gäbe Frei.Wild-Hasser, die die Band tatsächlich am liebsten an die Wand stellen würden, und das seien eben Faschisten für ihn. Naja.
Der Song „Ich bin neu, ich fange an“ (zur Gänze im Anschluss) thematisiert das Schicksal eines Flüchtlings. Gerade aus seiner eigenen Heimatverliebtheit hinaus scheint Burger Empathie für Menschen zu entwickeln, die die eigene Heimat verlassen müssen. Keine uninteressante Position.
Bleibt zu sagen: An meiner Meinung zu Frei.Wild hat sich wenig geändert. Einige Punkt sind kritikwürdig, auf Provokationen wird aber verzichtet, das haben sie wohl auch nicht mehr nötig.

Thomas Rammerstorfer

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Ich bin neu, ich fange an

Musik: 100% Philipp Burger
Text: 100% Philipp Burger


Sehe nur leere Gesichter, unsägliche Angst
Aufbruch zur Flucht, aus dem eigenen Land
Scherben hinterlassen und Scherben erwarten
Geister auf Auswegen, auf unsicheren Pfaden

Wohin mit mir, wohin und mit wem?
Werde ich zurückkommen?
Oder immer dort leben?
Das Urteil des Schicksals
Hätte es anders gewollt
Doch mein Wille zum Leben
Wählt meinen Weg

Endlich angekommen
Alles neu und fremd
Nichts hier wird einfach
Weil mich keiner hier kennt
Neues Land, neue Wege
Werde mich neu definieren
Will mein Leben hier leben
Will das alles kapieren

Ich will Teil dieser Welt sein
will nicht am Rande stehen
Werd es beweisen, ich bin dankbar
Für den Beitrag an meinem Leben
Schlage Brücken durch Sprache
Will sie lernen, will sie verstehen
Euer Land kennenlernen
Und will euch von meinem erzählen
Ich weiß, dass das alles
Für keinen hier einfach wird
Doch halte dran fest
Weil es nur ein Zusammen gibt
Ein Zusammen, das ich ohne euch so nicht leben kann
Also fange ich an, ich fange an, ich fange an
Und es fühlt sich richtig an

Was habe ich zu erwarten?
Wem soll ich vertrauen?
Wer hilft, wer misstraut mir?
An wen kann ich glauben?
Liegt mein Anker für immer?
Endet hier meine Flucht?
Tausende Fragen
Auf die ich Antworten suche

Doch will ich ein Leben
In eurer Mitte und frei
Begegnung verbindet, sie hilft mir dabei
Neues Land, neue Regeln
Heut auch Neues probieren
Ich will mit euch leben
Und das kann funktionieren

Egal woher, egal wohin
Neues soll kommen, Altes muss bleiben
Will mein Leben hier leben
Will das Land hier verstehen

Egal wo, egal woher
Egal wo, egal wohin
Egal wo
Für ein Zusammen
Nicht ein Auseinander
Für das Leben und Dinge
Die für ein solches stehen

Fotos:
1. Frei.Wild-Konzert 2013 Gasometer/Wien (Thomas Rammerstorfer)
2. Diskussion mit Frei.Wild im Dezember 2013 im Gasometer Wien (Katharina Gusenleitner)

Lob und Tadel bitte entweder hier abladen oder an t.rammerstorfer@gmx.at

VON HITPARADENKÖNIGEN UND MENSCHENFEINDEN

aus: ANTIFA-FORUM 2013

Gegen Nazimusik ist fast jeder – doch die Einschätzung der Graubereiche bereitet Schwierigkeiten

„Frei.Wild“ in Wels und Kufstein

Allgemeines Erstaunen bei FreundInnen und GenossInnen rief es hervor, als ich im April 2013 NICHT dazu aufrief, das geplante Konzert mit „Frei.Wild“ in Wels zu verhindern.

Geschrieben hatte ich: Allerdings halte ich ihre Distanzierung vom Neonazismus für glaubwürdig. Die Ansichten der „Frei.Wild“ sind (…) durchschnittlich (…). Ich bin keineswegs der Meinung, dass man diese Konzerte verbieten sollte. Vielmehr sollte man sie zum Anlass nehmen, den Vormarsch rechter und konservativer Ansichten gerade bei österreichischen Jugendlichen zu thematisieren und zu diskutieren.[1]

Nun kennen wir den Ausgang in Wels. Das „Frei.Wild“-Konzert wurde abgesagt. Thematisiert oder diskutiert wurde gar nichts und das fand ich schade.

Im Tiroler Kufstein ging man den anderen, wie ich meine unbequemeren, aber sinnvolleren Weg: „Frei.Wild“ durften ungestört auftreten. Zuvor gab es aber eine Reihe von Veranstaltungen, Medienberichten und viele, viele kleine Debatten in Cafes und Klassenzimmern zu den Problemen, die wir AntifaschistInnen mit vielen Textpassagen dieser Musiker haben. Ich war in dieser Zeit einige Tage in Kufstein und vom Niveau der Gespräche, auch mit AnhängerInnen der Band, überrascht. Das Ziel der antifaschistisch bewegten Menschen war auch nicht, den Fans ihre Leidenschaft für die Band ausreden zu wollen, oder sie gar pauschal in eine rechtsextremes Ecke zu stellen, sondern sie selbst zu einer kritischen Auseinandersetzung anzuregen: Mit Heimat und Nation, mit den von „Frei.Wild“ kolportierten Männlichkeits- und Identitätsbildern. Natürlich liefen die Fans nicht in Scharen zur „Gegenseite“ über, aber ich denke, es wurden viele Nachdenkprozesse in Gang gesetzt, und auch viele Vorurteile über Linke und AntifaschistInnen widerlegt oder zumindest aufgeweicht. Die wochenlangen Diskussionen haben für die Kufsteiner Jugendlichen einen wahren Politisierungsschub gebracht, wie mir eine lokale Grün-Politikerin sagte.

So sehe ich also das „Frei.Wild“-Konzert in Kufstein, dass stattgefunden hat, als größeren Erfolg für die AntifaschistInnen denn jenes in Wels, das nicht statt gefunden hat, an. Auch wenn dieser Erfolg nur schwer messbar ist.

Die „Hinichen“ in Wien

In Wien krachte es letzten Herbst ordentlich. Da war ein Auftritt der Proll-Rock-Truppe „Die Hinichen“ im honorigen, städtisch geförderten Gasometer geplant. Die „Hinichen“ erfreuen ihre Fans und verärgern alle Menschen mit Menschenverstand mit Texten wie:

„Wir mischen auf im Frauenhaus, wir peitschen die Emanzen aus, wir treiben die Lesben vor uns her, das fällt uns Kerl´s gar net schwer“

und dergleichen mehr, das ich hier gar nicht wiedergeben will, weils gar zu blöd und ekelhaft ist. Jedenfalls wird Gewalt gegen Frauen ungeniert propagiert. Dagegen protestierte vor allem der Kultursprecher der Wiener Grünen, Klaus Werner Lobo, und erreichte letzten Endes eine Absage des Konzertes. Erfreulicherweise, wie ich meine! Aber warum bin ich im Falle von „Frei.Wild“ für Toleranz und Diskussion, im Falle der „Hinichen“ für den Zensurknüppel? Der Unterschied besteht für mich darin, dass die „Hinichen“ ganz konkret Gewalt gegen eine ganz konkrete Personengruppe fordern, gegen die auch ein ganz konkretes, reales Bedrohungsszenario vorliegt. Es vergeht in Wien und anderswo vermutlich kein Tag, wo nicht eine Frau ins Kranken- oder Frauenhaus geprügelt wird und wahrscheinlich kein Monat, wo keine Frau Todesopfer männlicher Gewalt wird. Den Herren von „Frei.Wild“ kann man hingegen rechte (keine neonazistische!) Gesinnung, aber nicht einmal beim schlechtesten Willen konkrete Gewaltaufrufe gegen real Bedrohte unterstellen.   

Gangsta-Rap überall

Mit „Frei.Wild“ und ohne die „Hinichen“ kann ich mich also wohl noch argumentativ halbwegs schlüssig durchschummeln. Was tun aber mit der Flut gruppenbezogener Menschenfeindlichkeiten, Mord-, Allmachts- und Gewaltphantasien und vulgärster Sexismen, die unter dem Hip Hop, Gangsta- oder Battlerap-Label daherkommen? Bushido, Shindy, Haftbefehl, Kool Savas oder Fler[2] dominieren die Charts und füllen die Hallen. Geschlossene rechtsextreme Weltbilder kann man ihnen nicht vorwerfen, Hetze gegen einzelne (auch real bedrohte) Personengruppen wie Homosexuelle oder auch das Verbreiten antisemitischer Stereotype sehr wohl. Einzelne Konzerte abzusagen, wie in Österreich schon geschehen, oder auch den CD-Verkauf einzuschränken, wie es in Deutschland passiert, können der Verbreitung solcher Musik in Internet-Zeiten kaum mehr etwas anhaben. Auch wird diese Musik mit ihren Inhalten von tausenden Nachwuchs-Rappern reproduziert. Das noch irgendwie zu kontrollieren, können wir vergessen. Umso wichtiger ist es, sich hier der Diskussion zu stellen; zumindest einen Teil der Kids kann man vermitteln, warum man die propagierten „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten“ ablehnt. Eltern, LehrerInnen und JugendarbeiterInnen sind hier herausgefordert. Hip Hop ist zur Weltsprache der Marginalisierten, zum wichtigsten Medium der Verdammten dieser Erde, geworden. Manches was sie uns zu sagen haben wird uns nicht gefallen.

Trotzdem, so gefährlich musikalisch dargebotene Hasspredigten sein mögen, sollten wir die Kirche im Dorf lassen: Rassismus und Homophobie gabs auch von Eric Clapton, Guns `n` Roses oder Ted Nugent – und deren AnhängerInnen sind darob nicht allesamt Rechtsextreme oder andere Menschenfeinde geworden.

Thomas Rammerstorfer


Eine kleine Anmerkung zu „Frei.Wild“

Aufgrund der im Mai bevorstehenden Konzerte der Südtiroler Band „Frei.Wild“ in Wels, Graz und Kufstein wurde ich mehrmals um meine Meinung dazu gefragt,  und so möchte ich die hiermit verkünden;)

„Frei.Wild“ haben rechtskonservative, deutschnationale, mitunter gewaltverherrlichende Texte. Sie wähnen sich als Opfer antifaschistischer Verschwörungen und ihre Jammerei diesbezüglich ist schlicht erbärmlich. Sie füllen die Lücke, die die „Boehsen Onkelz“ im Sektor des pubertären Selbstmitleid-Rocks hinterlassen haben.

Allerdings halte ich ihre Distanzierung vom Neonazismus für glaubwürdig. Die Ansichten der „Frei.Wild“ sind – leider! – ebenso durchschnittlich wie ihre Musik. Ich bin keineswegs der Meinung, dass man diese Konzerte verbieten sollte. Vielmehr sollte man sie zum Anlass nehmen, den Vormarsch rechter und konservativer Ansichten gerade bei österreichischen Jugendlichen zu thematisieren und zu diskutieren. Denn längerfristig stellt dieser eine grössere Bedrohung für Demokratie und Menschenrechte dar als einzelne NS-Bands und -Banden.