aus „Grüne Schule“ Nr. 1, Juni 2012
Bei der Suche von Jugendlichen nach Identität spielt Musik eine kaum zu überschätzende Rolle. Ganze Jugendkulturen, ja ganze Generationen definier(t)en sich über Musikstile. Sie erscheint auch als primäre Ausdrucksweise sowohl unterschiedlicher Emotionen als auch von gesellschaftlicher Haltungen. Rechtsextreme, die ihre „Opfer“ in Ermangelung intellektueller Kompetenzen oder politischer Programme primär auf der Gefühlsebene ansprechen müssen, haben die Bedeutung populärer Musik erkannt und setzen darauf. Mit zunehmenden Erfolg.
Bis weit in die 70er-Jahre orientierten sich rechtsextreme Jugendgruppen am Erscheinungsbild ihrer historischen Vorläufer der 30er-Jahre. Dementsprechend begrenzt waren die Agitationserfolge. Das Interesse, in Hitlerjugend-Kostümierung bei Marschmusik zu salutieren, hielt sich bei der damaligen Jugend in engen Grenzen. Rockmusik und eine rechte Einstellung schienen unversöhnliche Gegensätze zu sein.
Zu Beginn der 80er importierten v. a. Fußballfans eine neue Jugendszene, die auf den britischen Inseln schon ein Jahrzehnt früher entstanden war: Die Skinheads. Die an sich unpolitische Bewegung wurde schnell zum Rekrutierungsfeld der Naziszene. Im Kontext einer zunehmend nach rechts rückenden Gesellschaft radikalisierten sich immer mehr Jugendliche. Nazi-Rock von Bands wie Störkraft lieferte den Soundtrack für eine Welle an rassistischen Terror mit über 100 Toten, der nach dem Ende der DDR die Bundesrepublik und mit Einschränkungen auch Österreich erschütterte. So erfolgte 1992 der erste eindeutig rassistisch motivierte Brandanschlag Österreichs in Traunkirchen, 1997 kam in Wels ein Mazedonier bei einer Nazi-Brandstiftung zu Tode.
Waren die 80er vom dumpfen Gegröle der Skins dominiert, entwickelte sich in den 90er-Jahren eine zunehmend vielfältigere rechtsextreme Musikszene. In machistisch und martialisch geprägten Jugendkulturen wie der Heavy Metal-Szene (v. a. im „Black Metal“) gelang es starke rechtsextreme Flügel zu etablieren; eine Entwicklung die momentan in der Hip Hop-Kultur vor sich geht. Auch in kleineren musikalischen Nischen wie dem Industrial Rock, Dark Wave, Techno („White Techno“) und Hardcore („Hatecore“) entstanden rechte Subgenres. Sanftere Klänge schlagen „nationale Liedermacher“ wie Frank Rennicke, Annet Müller oder der Schärdinger „Bernhard“ an.
Auch inhaltlich hat man das über rassistisches Gegrunze hinaus erweitert. Geschichtsrevisionismus, die Verehrung der Wehrmacht und einzelner Größen des Nationalsozialismus, insbesondere Rudolf Hess gibt es zu hören, auch werden zunehmend antikapitalistische Positionen propagiert, die sich allerdings meist in antisemitischen Weltverschwörungstheorien erschöpfen. Szenetypisch ist eine nachgerade obsessive Beschäftigung mit dem Thema sexueller Kindesmissbrauch, das auch in der Propaganda rechter Parteien eine starke Rolle spielt. Kaum eine Rechtsrock-Band ist heute ohne Lied zu diesem Thema am Start.
In Österreich ist die Szene eher konsumorientiert, die einheimischen Bands erreichten bei weitem nicht die Professionalität der internationalen Rechtsrock-Helden und verschwinden meist schnell von der Bildfläche. Eine großen Popularität erfreuen sich die Österreich deutsche Acts wie Landser, Zillertaler Türkenjäger, Stahlgewitter, Sleipnir oder Dee Ex sowie die schwedischen Saga; die traditionellen Skinhead-Bands wie Skrewdriver haben an Bedeutung verloren.
Aus einer Reihe von Gründen ist Oberösterreich mehr als andere Bundesländer Zentrum unterschiedlicher rechtsextremer Jugend-Szenen. Das Innviertel, insbesondere der Bezirk Braunau, ist eine Hochburg der Skinheadszene. Im Mühlviertel versammeln sich viele Rechtsextreme unter dem Dach des „Ring Freiheitlicher Jugend“, aber auch in der Black Metal-Szene. Im Zentralraum sind unterschiedlichste Gruppen am Werk: Von rechten Hooligans bis zu organisierten Parteien wie der „Heimatpartei“ oder den „Bunten“. Überregionale Nazi-Skinheadgruppen firmieren als „Objekt 21“ oder „Road Crew Oberösterreich“. Faschistische Vereine türkischer MigrantInnen existieren in Linz, Wels, Traun und Braunau, diese veranstalten auch immer wieder Konzerte. Auch Islamisten und rechtsextreme Gruppen aus Ex-Jugoslawien (etwa der kroatische Fascho-Popstar „Thompson“) und Tschetschenien haben ihr Anhänger.
Von den Sicherheitsbehörden gibt es keine nennenswerten Aktivitäten im Kampf gegen Rechts; insbesondere beim Thema Jugendkulturen wirkt man bestenfalls überfordert. Umso wichtiger ist hier die Rolle der LehrerInnen und Eltern, ja der ganzen Zivilgesellschaft; wir alle sind gefragt, wenn es darum geht, den braunen Unrat wieder auf die Müllhalde der Geschichte zu befördern.