„Ich glaube, im Bezirk Braunau ist die rechtsextreme Szene stärker als in Schärding und Ried“.
Diese Aussage in einem OÖN-Interview sorgte für einigen Widerspruch aus der Region. Schauen wir uns die Fakten an.
1. Die Straftaten
Bezirkspolizeikommandant Martin Pumberger entgegnet: „2013 hat es im Bezirk zehn Anzeigen wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz gegeben, sechs davon wurden geklärt.“
und die Szene sei kleiner geworden:
„Nur zwei, drei Eingefleischte, ein paar kleine Gruppierungen.“
Tatsächlich mag die Szene kleiner oder zumindest inaktiver geworden sein. Wie „zwei, drei Eingefleischte“ gleich „ein paar kleine Gruppierungen“ bilden können und warum dies wenig sein soll, bleibt unklar.
Zu den eingangs genannten Zahlen: 10 Anzeigen innerhalb eines Jahres wegen des Verbotsgesetz in einen Bezirk mit etwas weniger als 100 000 EinwohnerInnen sind so wenig nicht. Bundesweit waren es 529 – rechnet man das auf die Bevölkerung um, kommt in Braunau eine Anzeige auf weniger als 10 000 EinwohnerInnen im Jahr; bundesweit war es „nur“ eine auf über 15 000. Und das in einer, hier bin ich mit der Polizei einig, relativ ruhigen Phase. Zahlen zu anderen rechtsextremen Delikten im Bezirk Braunau und Zahlen zu Schärding oder Ried liegen mir nicht vor.
Fakt ist, dass nach wie vor Neonazis in der Region aktiv sind. Das Spektrum reicht hier von bestens vernetzten Kameradschaften wie dem „Widerstand Braunau“ (der auch einen eigenen Blog betreibt) zu losen Gruppen wie dem „Sturmführerkommando“ und Freizeit-orientierten Rechtsextremen wie der „Road Crew“, hier bei einem Gruppenfoto vor dem Hitler-Geburtshaus am 1. November 2013:
2. Die Wahlergebnisse
Auch hier liegen dankenswerterweise Zahlen vor, die der Nationalratswahl im September 2013. Im gesamten Bezirk wurden die FPÖ mit 25,19 % zweitstärkste Partei. Das liegt über dem Österreich- wie auch dem Oberösterreich-Schnitt, aber sogar minimal unter dem Innviertel-Schnitt und auch hinter dem Bezirk Wels-Stadt. Das beste FPÖ-Ergebnis der OÖ-Gemeinden stammt mit 42, 7 % in St. Georgen am Fillmannsbach aus dem Bezirk.
3. Die Meinung von ExpertInnen
Die OÖN zitierten als Gegenmeinung zu meinen Angaben neben den Bezirkspolizeikommandant Martin Pumberger einen Streetworker, den man als „Experten“ bezeichnete. Warum geht aus dem Artikel nicht hervor, bestritt dieser dann doch – selbst im Widerspruch zum Bezirkspolizeikommandanten – überhaupt die Existenz einer „rechten Szene“.
2012 haben verschiedene ExpertInnen umfangreiches Material veröffentlicht, um die Diskussion ob es denn Rechtsextremismus überhaupt im Bezirk gäbe, mal zu beenden:
http://braunau-gegen-rechts.at/antifaschistische-chronik-braunau-am-inn/
http://www.stopptdierechten.at/2012/04/10/braunau-oo-hotspot-der-neonazis-i-v/
Die Veröffentlichungen lieferten wohl durchaus einen Beitrag, dass sich einzelne aus der Szene zurückzogen, bzw. ihre Gesinnung nicht mehr „offen“ zur Schau stellen, sei es via social media oder im realen Alltag. So berichtet auch die deutsche Aussteigerhilfs-Organisation von Hilfsgesuchen aus dem Bezirk Braunau, auch im Jahre 2013 soll es deren mehrere gegeben haben. Es kam auch zu Anzeigen, der erst diese Woche wieder Verurteilungen folgten:
http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/innviertel/Neonazi-Vergangenheit-Bruederpaar-verurteilt;art70,1347445
Mit „Braunau gegen Rechts“, „stopptdierechten.at“, dem Infoladen Wels, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und verschiedenen deutschen Organisationen attestieren alle ExpertInnen zum Thema der Region ein historisch gewachsenes und nicht überwundenes Problem mit relativ weit verbreiteten rechtsextremen, deutschnationalen und antidemokratischen Einstellungen.
4. Was jetzt?
Die Häufung rechtsextremistischer Vorfälle und Einstellungen in der Region lässt in keinster Weise Rückschlüsse auf die Befindlichkeiten aller EinwohnerInnen zu. Verallgemeinerungen sind Methoden der Rechten, nicht der AntifaschistInnen. Ich persönlich bin des alten Spielchens „Antifa klagt an – Politik & Polizei beschwichtigen“ auch schon ein bissl müde. Ich und andere werden nicht aufhören, diverse Umtriebe in der Region zu beobachten und zu kritisieren. Einem – auch unseren Einschätzungen gegenüber – kritischen Dialog werde ich mich aber keineswegs verweigern.
Thomas Rammerstorfer